I like the way I can't keep my focus
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#31


I like the way I can't keep my focus
,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


„Ich darf also wiederkommen, ja? Das wäre sonst ja auch nicht besonders nachhaltig, so eine Zahnbürste nur einmal zu benutzen. Unverantwortlich.“ Wieso auch diese erste Frage in Ruhe stellen und eine Antwort abwarten? Das wäre zu erwachsen. Vor allem aber zu riskant. Was wenn er nein sagte? Als ob er das tun würde. Über diesen Punkt waren sie hinweg, oder nicht? Die miteinander verbrachte Nacht war nicht der Höhepunkt ihrer Bekanntschaft gewesen, sondern der Beginn. Auch wenn es Höhepunkte gegeben hatte. Mehrere. Je nachdem wie schalldicht hier alles war wussten auch die Nachbarn davon. Und hätten sie doch nur an diesem Meilenstein angehalten und sich eine Pause gegönnt, den Moment genossen und an der Abzweigung nicht die eigentlich ja aber doch unausweichliche Katastrophe angesteuert.
Binnen weniger Sekunden brach das schöne Kartenhaus in sich zusammen, das sie so sorgsam und vorsichtig errichtet hatten. Um die Wahrheiten, Tatsachen und Gegebenheiten herum, die als Fundament hätten dienen sollen. Kein Wunder also, leider, dass es keinen Bestand haben konnte. Der Tornado der Wahrheit wehte die Karten durcheinander, hinterließ Chaos und Zerstörung. Dass sie weinte erschreckte Ellis selbst, ein handfestes Indiz dafür, wie schnell der Schmerz sie zerriss und zu verzehren drohte. Gouverneur. Wieso? Warum? Hätte er nicht einfach irgendein Finanzhai von der Wall Street sein können? Oder ein Immobilienmogul? Von ihr aus auch ein Kardashian. Wieso ausgerechnet eine Figur in der Öffentlichkeit, die die Presse am liebsten Schicht für Schicht auseinander nahm? Wo jedes Blatt umgedreht wurde und kein Geheimnis ein solches blieb? Wo auf einmal Ton- und Bildmaterial auftauchte das Situationen bezeugte, die man für vergessen gehalten hatte? Momente die so fatal waren und wieder werden könnten.
Die entschuldigenden Worte aus Emrys Mund, die Verzweiflung die in seinem Gesicht geschrieben stand und mit jedem Atemzug greifbarer wurde, zerrissen Ellis das Herz.
Hätte er es ihr sagen sollen? War das nicht genau ihr Spiel gewesen? Genau das eben nicht zu tun? In stillem Einverständnis waren sie Fremde geblieben und es hatte ihnen in die Karten gespielt, ansonsten wären sie nie bis zu diesem Punkt gekommen. Dann hätte Ellis ihn niemals außerhalb des Pubs getroffen, hätte nicht die Weichen so gestellt, dass sie jetzt genau hier standen - vor dem Aus, noch bevor es überhaupt richtig begonnen hatte?

Sie wollte etwas sagen. Sie musste etwas sagen. Aber nicht nur, dass ihre Kehle zugeschnürt wirkte, sie wusste nicht einmal was sie sagen könnte. Wobei, machte das einen Unterschied? Stumm flossen die Tränen über ihre Wangen während sie Emrys Satzfetzen zuhörte, ihr Verstand hingegen lief Amok, überflog alle Möglichkeiten, wägte ab welcher Schaden schon entstanden war, welchen davon man nicht mehr beseitigen konnte.
Ellis, rede mit mir. Als hätte man sie aus einem tiefen Schlaf ruckartig geweckt zuckte Ellis kurz zusammen und schnappte nach Luft. „Dir muss nichts Leid tun“, begann sie leise und strich sich mit dem Handrücken die Tränen von der Wange, umrundete die Küchenzeile und kam gegenüber von Emrys wieder zum Stehen, die Zeitung wie ein Mahnmal zwischen ihnen noch immer ausgebreitet. „Wenn, dann muss ich mich entschuldigen.“ Aber in ihren Worten lag nichts Versöhnliches, kein Schwamm drüber und schon gar keine Hoffnung. Sie räusperte sich um ihrer Stimme wieder mehr Volumen geben zu können. „Wir haben beide gedacht Dinge zu verheimlichen wäre gut und richtig“, wollte sie zumindest diesen Teil einräumen, denn abseits davon, war nicht er derjenige der hier zu Kreuze kriechen musste. Sie hatte doch gewusst, dass sie ihn niemals mit sich und ihrer Vergangenheit hätte belasten dürfen. Sie, und nur sie, war dafür verantwortlich, dass sich nun zwei gebrochene Herzen in diesem Loft befanden. Das Vertrauen das er ihr entgegen gebracht hatte, hatte sie so schamlos ausgenutzt und seine Sicherheit hinter ihre eigenen Wünsche gestellt. Vom eigenen Egoismus angewidert senkte Ellis den Blick.

„Ich finde deine Arbeit nicht schlimm, Emrys, denk das nicht.“ Das fehlte gerade noch, dass er sich über sein Lebenswerk schämte. „Und vielleicht kriegst du diese Position nicht, aber…“,, ja, aber was? Wieso sprach sie überhaupt davon? Es spielte keine Rolle ob er die Stelle bekam oder nicht. Er war eine Person der Öffentlichkeit, aber viel wichtiger war: er war ein herzensguter Mensch. Und sie dürfte ihn niemals in ihr eigenes Elend ziehen. Sie hatte nicht besonders viel Ahnung von Politik, aber dass man nicht Gouverneur wurde so wie man sich früher durch ein paar leere Versprechungen zum Klassensprecher wählen ließ, das war auch ihr klar. Der Weg dorthin war steinig, mit Hindernissen und Opfern verbunden. Und niemand arbeitete so lange so hart um dann nur Gouverneur zu werden. In Amerika peilte man den Mond an, dann würde man, selbst wenn das nicht klappte, noch immer unter den Sternen landen. Wenn es also nicht das Weiße Haus war, dann der Senat. Oder irgendeine andere, große Instanz, die die weißen Männer so zahlreich besiedelten. „Die Wahrheit ist… Ich kann dir nicht… Du weißt nicht…“ stammelte sie fort, sie, die doch sonst vor Eloquenz nicht wusste wohin mit all den Worten. Ihre Hände umgriffen die Kante der Anrichte, suchten dort Halt und Hilfe und fanden beides nicht. „Ich bin nicht die für die du mich hältst. Und ich könnte dir niemals im Weg stehen bei deinem… bei… dem hier…“ Sie machte blind eine Geste in das Loft hinein. „Es tut mir Leid.“ Sie machte ein paar Schritte rückwärts, blickte Emrys mit einem verräterischen Schimmern in den Augen an. „Ich wäre dein politisches Ende.“ Sie schluchzte und griff ihre Hose, die einen Meter neben ihr auf dem Boden lag und versuchte sie ungelenk anzuziehen. Sie musste hier weg, raus aus dem Loft und weit weg von ihm bevor sich die Teufelsschlingen ihrer Vergangenheit auch um ihn legen würden.

Sie wagte es nicht Emrys noch einmal direkt anzuschauen, das würde sie nicht überstehen. „Es tut mir Leid, es tut mir so Leid“, wimmerte sie stattdessen und suchte, so zittrig auf den Beinen, ihre restlichen Sachen. Dabei schlich sich eine zu vertraute und doch so weit entfernte Angst zurück in ihr Bewusstsein. Was, wenn er wütend wurde? Was, wenn er in den letzten Augenblicken festgestellt hatte was für eine Enttäuschung sie war? Aber das da war nicht ihr letzter Ehemann, das war Emrys. Emrys war kein schlechter Mensch. Der Mann der da vorn stand würde nicht die Hand gegen sie erheben. Aber woher wollte sie das so genau wissen?
Von den Geistern der Vergangenheit eingeholt mischten sich die Gedanken in die schiere Unkenntlichkeit, die aufkeimende Angst übernahm die Steuerung ihres Verstandes. Sie blickte zur Haustür des Lofts, um dorthin zu kommen müsste sie unweigerlich an Emrys vorbei. Und egal wie sehr ihr eigentliches Wissen dagegen ging, dass Emrys sie in diesem Moment nicht grün und blau prügeln würde - die Panik war omnipräsent. „Es tut mir Leid, dass ich dich enttäuscht habe“, fiel die Stimme beinahe mechanisch aus, als wäre das nicht mehr wirklich sie die hier sprach sondern irgendeine dritte Person. Ihr Blick wurde glasiger, abwesend. „Ich möchte gehen“, fiel der Wunsch hingegen sehr leise aus, leise hoffend, dass er es ihr zugestand.
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#32


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,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


"Du darfst nicht nur wiederkommen, du musst." Emrys konnte ein Strahlen nicht verbergen und wollte es auch gar nicht. Das hier, das fühlte sich so gut und richtig an. Er wusste gar nicht, wann er sich das letzte Mal so gefühlt hatte, und wollte, dass es niemals aufhörte. Bisher hatte er das Gerede über "die Eine" als Humbug abgetan; er hatte nicht glauben können, dass es eine Person gab, die besser zu einem passte als irgendjemand sonst auf der Welt. Immerhin gab es so viele Menschen auf dem Planeten. Ach was, allein New York war voll mit Menschen, da fand doch jeder jemanden, ohne über den Tellerrand der Stadtgrenzen blicken zu müssen. Und doch... Jetzt, hier, mit dieser unglaublichen Frau in seinen Armen, da kam ihm das erste Mal der Gedanke, dass vielleicht doch etwas dran war. Wenn es "die Eine" für ihn gab - dann war es mit Sicherheit Ellis.
Er konnte es schon förmlich vor sich sehen, wie er mit ihr an seiner Seite stolz in die Öffentlichkeit trat. Natürlich war das nicht der Grund, warum er sie mochte, aber er war zu sehr Arbeitstier, um die positiven Aspekte in Bezug auf seinen Job wahrzunehmen; es würde sich für seine Kampagne unglaublich gut machen, wenn er sich frisch verliebt zeigte. Es machte ihn sympathisch und nahbar. Und die Menschen würden Ellis lieben. Wie könnten sie auch nicht?

Und dann brach das wunderschöne Bild nicht nur in sich zusammen, es zersplitterte in eine Millionen Teile, und die Splitter flogen ihm um die Ohren. Wie betäubt versuchte er zu verstehen, was vor sich ging, als Ellis ihm plötzlich mehr und mehr entglitt - als hätte ein Tornado sie erfasst und zog sie nun unnachgiebig mit sich. Halt, Stopp, er musste das verhindern! Er musste es aufhalten! Aber wie???
Das Blut rauschte so stark in seinen Ohren, er hatte Schwierigkeiten, sich auf ihre Worte zu konzentrieren. Ja, sie hatten Geheimnisse voreinander gehabt. Ihn hatte das nicht gestört, es war Teil des Reizes gewesen. Und mittlerweile steckte er so tief drinnen, dass er nicht glauben konnte, dass es ein Geheimnis gab, dass sich zwischen sie stellen konnte - aber anscheinend hatte er sich da geirrt. Und je weiter sie sprach, umso größer wurde seine Verwirrung. Seine Arbeit war nicht der Grund? Aber was dann? Sie war zumindest der Auslöser, also war sie irgendwie doch auch zumindest ein Stück weit der Grund, oder nicht?
"Ellis, warte... Warte. Ich kann nicht denken... Warte kurz." Er hatte das Gefühl zu ertrinken. Er soff förmlich ab, in seinen Gefühlen, in dem Chaos was plötzlich in ihm herrschte. Der Tornado, der sie ihm entriss, wirbelte alles in ihm durcheinander und hinterließ eine Schneise der Zerstörung.
"Was weiß ich nicht?" Er wusste, es war sinnlos diese Frage zu stellen. Sie hielt sich absichtlich vage und würde auch auf eine Nachfrage nicht deutlicher werden, so würde er auch handeln. Dennoch, er konnte nicht anders. "Mir ist egal, wer du bist, was du vielleicht getan hast oder was auch immer. Ich..." Noch während er nach Worten suchte, nach Argumenten, die sie dazu bewegten, wieder in seine Arme zurückzukehren, holte sie mit einem gigantischen Vorschlaghammer aus und hieb ihm das Teil ungebremst um die Ohren.
„Ich wäre dein politisches Ende.“

Fuck. Fuck, fuck, fuck, fuck.
"Fuck!" brüllte er. Denn er konnte sie und sich belügen, ihr versichern, dass es nicht ausmachte, aber Fakt war: Es machte etwas aus. Er konnte seine Karriere nicht riskieren. Nicht, nach allem, was er durchlebt hatte. Sie wusste nichts von seiner Vergangenheit, wusste nichts von seinen Tagen, als er nichts zu Essen gehabt, kein Dach über dem Kopf sein Eigen hatte nennen können. Sie wusste nicht, wie hoch sein sozialer Aufstieg war und dass er noch weiter nach oben musste. So hoch es nur ging. Paralysiert stand er da, nahm kaum etwas wahr. Ellis' erste Entschuldigung schwappte über ihn hinweg. Erst die zweite, als sie sich dafür entschuldigte ihn enttäuscht zu haben, nahm er wahr. Und diese Worte brachen ihm genauso das Herz wie die zarte Bitte, gehen zu dürfen.
"Ellis... Natürlich darfst du gehen, ich halte dich nicht auf. Auch wenn alles in mir danach schreit, es zumindest mit Worten zu versuchen. Ich..." Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. "Ich..." Er konnte nicht denken. Sein Kopf war wie blockiert, als habe sein Hirn die Arbeit eingestellt. Seine Synapsen hatten aufgrund der Überlastung die Arbeit niedergelegt und waren in den Streik gegangen. "Ellis..."
Das konnte nicht das Ende sein, oder? Es durfte einfach nicht das Ende sein.
Aber was war es sonst?
Eine Sache musste er noch loswerden, auch wenn es die Situation vermutlich nicht besser machte. Aber wenn er es nicht sagte, wenn er die Worte jetzt nicht aussprach, zum ersten Mal in seinem verfickten langen Leben, dann würde er es bitter bereuen, das war ihm klar.
"Ich liebe dich, Ellis."
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#33


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,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


Was weiß ich nicht? Alles, war die simple Antwort auf dieses komplexe Thema, mit der Emrys nichts hätte anfangen können. Er wusste nicht das Geringste über sie und schon gar nicht wieso sie nicht der Mensch war für den er sie hielt. Bei Gott, innerhalb weniger Sekunden gab ihr in Angst geschnürter Verstand ihr einen Abriss davon, was passieren würde wenn sie bei ihm blieb. Dann würden die Medien die Frau an seiner Seite Schicht für Schicht auseinander nehmen, politische Gegner setzte ihre besten Leute darauf an die Leiche im Keller zu finden, die in ihrem Fall nicht im Geringsten metaphorisch war, wenn auch nicht in ihrem Haus physisch auffindbar. Und dann? Das wäre es für ihn gewesen, dann hätte sie sein Leben zerstört, seine Karriere, seinen Traum. Und das würde sie niemals über ihr Herz bringen. Wenn sie ihm nur sagen könnte was er verdiente zu wissen, eine handfeste Erklärung? Aber ihre Kinder. Sie durfte nicht, nein, konnte nicht zulassen, dass ihre Kinder in den Strudel des Elends gerissen wurden. Als ob es nicht reichte, dass sie ihr Leben lang von Ellis belogen worden waren, ein Geheimnis, das ständig und stetig von ihr zehrte, sie zerfraß. Und sie gedachte nicht irgendwem anders diese Wahrheit als Laster aufzubürden, unter der man zu ersticken drohte. Tag für Tag und Jahr um Jahr, egal wie lang das nun schon her war, egal wie verdient vielleicht sogar… Und als hätte er ihre Gedanken gelesen sprach er genau aus, was sie sie so gern hören wollte. Egal was sie getan hatte. Das war leicht zu sagen wenn man nicht wusste, woran sie die alleinige Schuld trug.

Verzweifelt fuhr sich Ellis mit den Händen durch die blonden Locken, griff hinein und riss leicht daran um die eigenen Gedanken dazu zu zwingen sich zu fokussieren. Schmerz war, was das anging, erstaunlich hilfreich, bremste alle unnötigen Dinge und ließ dem Körper keine Wahl als neue Prioritäten zu setzen.
Wie hatte das nur so schnell eine so dramatische Wendung nehmen können? Die ganz einfache Tatsache, dass sie sein politisches Ende war, schob seinen verzweifelten Versuchen sie umzustimmen einen Riegel vor. Ellis erschrak sichtlich unter der Intensität seiner Stimme, der Lautstärke. Ein wütender Mann, das wusste sie aus bitterster Erfahrung, war das gefährlichste was ihr passieren könnte. Und genau das hatte sie getan, oder nicht? Ihn enttäuscht und damit wütend gemacht.
Ihre Muskeln spannten sich an und dennoch zitterten ihre Finger, wahren sich der mutmaßlichen Gefahr gewahr. Vielleicht war da auch keine, aber wenn, ja wenn… Ihre vorsichtigen Worte schienen Emrys zu verwirren, Ellis schaffte es kaum seinem Blick standzuhalten. Das in seinen braunen Augen geschrieben stehende Leid war wie eine Keule, die man ihr ungebremst ins Gesicht schlug. Sie hatte ihn ausgenutzt, hatte ihn wissentlich in die Falle laufen lassen und ihn so sehr verletzt. Ihre aufgesammelten Sachen hielt Ellis fest umklammert vor dem Oberkörper, sah von Emrys aus zur Haustür und wieder zurück. Natürlich durfte sie gehen. Das sagte er so. Meinte er das ernst? Oder war das ebenso eine Falle? Das konnte nicht sein, durfte nicht sein aber was wusste sie schon?
Und dann, als er noch einmal ihren Namen nannte, sah sie wieder zu ihm auf. Vielleicht war es seine Tonlage, vielleicht auch Emrys Gesichtsausdruck, der so verletzt und verletzlich zugleich schien. Warme Tränen perlten erneut über ihre Wangen, ein Ausdruck davon, dass es um ihr Herz nicht besser stand als um seins. Die Verzweiflung jedoch, die in ihrem Einzug gehalten hatte, blieb aus. Noch. Zu sehr standen ihre Zeichen auf Flucht; aus diesem Loft und dieser Situation hinaus. Weg, weit weg, so weit weg, dass er sie nie wiederfinden würde.

Ich liebe dich, Ellis. Stille zwischen den Beiden, Ruhe die zu schreien schien, ein schrilles Kreischen, das sie zu verschlingen drohte. War es das? Liebe? Erinnerungen an ihre Treffen keimten in Ellis auf. Wann auch immer er sie angeblickt und gelächelt hatte, hatte sie sich gefühlt als würde die Sonne sie von allen Seiten treffen. Sie hatten miteinander gelacht, da war blindes Vertrauen gewesen, eine tiefe Verbundenheit, die sie sich nicht hatte erklären können. Als hätte man zu dem Puzzle, an dem man seit Jahren arbeitete, endlich das letzte Teil gefunden. Und nun hatte jemand das fertige Meisterwerk auf den Boden geworfen, wo es in alle Einzelteile brach. Und diese Person war sie selbst gewesen, sie allein. „Das darfst du nicht sagen“, war die bittere Antwort, die sie ihm geben musste. Was sie von Herzen hätte sagen wollen, das dürfte ihr niemals über die Lippen gehen. Und trotz jedem besseren Wissen trat sie noch einmal auf Emrys zu, überbrückte die Distanz vollständig und ließ die Stirn gegen seine Brust sinken, schloss die Augen, atmete seinen Duft tief ein. Noch einmal seine Nähe spüren bevor das Unausweichliche geschehen müsste... „Es tut mir Leid“, schluchzte sie leise und wünschte sich abermals, dass die Zeit stehen blieb. Dass sie bis ans Ende ihrer Tage genauso hier verharren konnten. „Ich könnte dir das niemals antun“, sprach sie erstaunlich deutlich, trat dann einen Schritt zurück und sah ihm noch einmal tief in die Augen. Ob er darin lesen konnte wie leid es ihr tat? Wie schwer ihr das hier fiel? Dass das hier das Härteste war was sie jemals hatte tun müssen? „Du musst mich vergessen, Emrys, wirklich. Bitte. Tu das für mich, ja?“ Und mit den Worten drehte sie sich um und öffnete die Tür nach draußen, die Schritte immer schneller und schneller damit sie es sich bloß nicht anders überlegte. Womit sie das verdient hatte, sie musste es sich nicht fragen. Sie kannte die Antwort und wusste, dass es sie eigentlich hätte noch viel schlimmer treffen müssen. Auch wenn ihr nicht klar war wie das hätte funktionieren sollen.
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#34


I like the way I can't keep my focus
,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


Das durfte er nicht sagen? Sie zeriss ihn in tausend Fetzen, trampelte noch darauf herum, und wollte ihm sagen, was er zu tun hatte - beziehungsweise, was nicht? Unglauben und Wut rangen in Emrys miteinander. Noch immer hatte er das Gefühl, die Situation gar nicht richtig greifen zu können, geschweigedenn zu begreifen. Was war hier los? Was tat sie? Warum tat sie ihm das an? Was... Die Fragen in seinem Kopf stolperten einander förmlich über die Füße, weil jede ganz vorne stehen und zuerst beantwortet werden wollte. Wie konnte sie... Wie konnte sie in seinem Bett liegen, in seinen Armen, Witze darüber machen dass er ihre Brüste statt eines BHs halten sollte - oh Gott, lieber nicht an ihre Brüste denken - und ihn dann einfach abservieren? Er war doch kein Kleidungsstück, dass man kaufte und dann plötzlich entschied, dass es einem doch nicht gefiel. Und dass es nicht mal weitergegeben werden konnte, sondern dass man es derart zerfetzen musste, dass es danach nur noch für die Tonne taugte. Und um ganz sicher zu sein, stopfteman es in die Tonne und zündete es da drinnen auch noch an. So. Dieses Kleidungsstück würde niemals mehr tragen, Mission accomplished.

Dass sein Liebesgeständnis derart abgeschmettert wurde, gab ihm den finalen Stoß. Es war auch seine stärkste Waffe gewesen. Wenn dieses Geständnis sie nicht zum Bleiben bewegte oder zumindest dazu, sich ihm zu öffnen - dann hatte er verloren. Dann gab es nichts mehr, was er noch tun konnte. Oder vielleicht auch tun wollte. Denn mal ehrlich, ja, sein Herz stand hier auf dem Spiel, aber wie sehr wollte er sich zum Affen machen? Sie wollte ihn anscheinend nicht. Nicht auf diese Weise. Emrys hatte Jack Maloney verschwinden lassen; was auch immer ihr Problem war, er könnte auch das verschwinden lassen. Doch das konnte er ihr nicht sagen, auch wenn er es kurz überlegt hatte. Letztlich hielt er es für zu gefährlich, immerhin stellte sie gerade lebhaft unter Beweis, wie unberechenbar sie war. Vermutlich sollte er froh sein, sie loszuwerden, bevor sie ihm noch ernsthaft gefährlich werden konnte. Jack Maloneys Existenz - oder vielmehr das Nichtvorhandensein ebendieser - durfte nicht in Gefahr geraten. Es stand zu viel auf dem Spiel. Bei aller Liebe, wortwörtlich, aber das war zu riskant.

Also gab er auf. Verschloss sein Herz, sperrte die Gefühle weg. Sah ihr ohne ein weiteres Wort zu, wie sie aus seinem Leben verschwand und ihn bat, sie zu vergessen. Das würde er schaffen, kein Problem. Emrys war der Meister der Verdrängung.
Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, lauschte er einen Augenblick der ohrenbetäubenden Stille, die sie hinterließ. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in einem vakuumierten Raum in einen Schraubstock eingeklemmt. Er gönnte es sich kurz, sich in dem Gefühl zu suhlen, dann gab er sich einen Ruck. Schubste die letzten Gefühle in seinen inneren Tresor, schloss ab und warf den Schlüssel weg. Dann setzte er sich in Bewegung, ergriff sein Telefon und wählte die Nummer seines Wahlkampfleiters, während er sich die Tasse schnappte, in der er Ellis den Kaffe kredenzt hatte. Er warf die Tasse in den Mülleimer in der Küche.
"Fred? Hi. Gibst du mir ein Update, wo wir stehen?"
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