forgive and forget
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#11


forgive and forget
,   Gast,   Gast
am 14.12.2018


Etwas zerbrach in Emilio, als er seinen Freund so vollkommen aufgelöst weinen sah. Nichts hätte ihn auf diese Situation vorbereiten können. Die Welt war nicht fair, das begriff er jetzt aufs Neue, denn Benito hatte es am allerwenigsten verdient so etwas durchmachen zu müssen. Was Emilio jetzt tun konnte, war bedingungslos für ihn da zu sein und ihn zu halten. Es war schlimm genug, dass er das die letzten Wochen nicht hatte tun können, doch jetzt wo sie das Missverständnis geklärt hatten, hatte Emilio nicht vor wieder zu gehen.
Aber es war nicht leicht Benito zu trösten, wenn er selbst mit seinen Gefühlen kämpfte. Benito weinen zu sehen löste nur aus, dass er seine eigenen Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. All der Ballast der letzten Wochen trat wieder an die Oberfläche. Der Schmerz, die Trauer, das Gefühl alles verloren zu haben…seinen besten Freund vorne dran. Emilio drückte den Jüngeren fest an seinen Körper, musste ihn eng bei sich haben, um auch wirklich zu begreifen, dass sie endlich wieder zusammen waren. Sie beide litten, doch zumindest konnten sie sich das Leid teilen. Emilio bemühte sich Benitos Anker zu sein, obwohl er selbst gefährlich schwankte. Er erinnerte sich an all das, was passiert war, als sei es gestern gewesen. Das, was Arian ihm angetan hatte…was Valerio ihm angetan hatte. Die Reaktion seiner Eltern, seiner Mitschüler und Freunde…die Abneigung und die Enttäuschung und letztlich das Gefühl so unendlich alleine auf der Welt zu sein.
Doch nicht mehr. Jetzt hatte er wieder Benito. “Benny. Ich bin so froh, dass du da bist.“, murmelte er weiterhin in die Halsbeuge des anderen und schniefte laut. Er ließ seinen Tränen freien Lauf, solange, bis sie von alleine stoppten. Seine Hände fuhren beruhigend über den bebenden Körper seines besten Freundes, den er hielt, bis auch er langsam zur Ruhe kam. Nur vereinzelt hörte er noch Schluchzer, erst dann begann er sich langsam wieder von Benito zu lösen. Er wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, in welcher sie nur in den Armen des anderen gelegen waren. Das erste was er tat war mit seinem Ärmel über sein feuchtes Gesicht zu fahren. Er musste schrecklich verheult aussehen, aber er fand Trost darin, dass Benito nicht viel besser wirkte.
“Warte.“, krächzte er, die Kehle trocken vom Weinen, und verrenkte sich bis er an Benitos Nachtkasten gelangen und zwei Taschentücher für sie beide holen konnte. Eines davon überreichte er Benito, das andere nutzte er um einmal kräftig zu schneuzen. Und als sie dort auf dem Boden saßen, mit roten Augen und blassen Gesichtern, konnte Emilio nicht umhin loszulachen. Es war kein fröhliches Lachen, sondern die ganze Anstrengung, die plötzlich aus ihm wich. “Ich hatte mir unsere Versöhnung irgendwie anders vorgestellt. Aber ich bin sehr froh, dass ich hergekommen bin. Ich hätte keinen weiteren Tag mehr mit dieser Situation leben können.“ Ohne es zu wollen stiegen erneut Tränen in ihm auf. “Du hast mir so gefehlt.“ Er schniefte nochmal kräftig in sein Taschentuch, um die aufkommende Traurigkeit zu unterdrücken. Er wollte nicht in eine erneute Tränenorgie ausbrechen. Ach, was war er nur für eine Heulsuse. “Willst du…Schokomuffins?“, fragte er dann unvermittelt und sah Richtung Tüte. Süßigkeiten halfen meist die Trauer zu vertreiben, zumindest war so seine Erfahrung. Schließlich hatte er die Dinger auch extra für Benito gebacken.
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#12


forgive and forget
,   Gast,   Gast
am 14.12.2018


Obwohl es sich schrecklich und grauenvoll anfühlte, wie gerade seine Gefühle die Überhand an sich rissen und dafür sorgten, dass Benito unaufhörlich und unkontrolliert weinte, ein Gefühl welches dafür sorgte, dass er innerlich nur noch mehr zerriss, weil er die Welt einfach nur noch weniger verstand, war da trotzdem noch immer ein kleiner Fetzen Erleichterung. Eine Erleichterung darüber, all diese angestauten Gefühle herauszulassen, um die eigene Last zu verringern und weil er nicht allein hier saß. Emilio war da. Sein bester Freund, den er glücklicherweise nicht verloren hatte, sondern der noch immer an seiner Seite war und sich nicht einfach vertreiben ließ. Die einzige Person auf die er sich immer hatte verlassen können.
Benitos Kopf ruhte auf Emilios Schulter und sein Schluchzen und Schniefen und Wimmern drang anfänglich herzzerreißend in einer ununterbrochenen Rotation durch den Raum. Es vergingen Minuten in denen diese Töne das Einzige waren, was die Jungen von sich hören ließen. Es brauchte Ewigkeiten, bis es leiser und auch langsamer erklang. Sanft streichelte Emilios Hand Benitos Rücken, während er selbst seine Hände noch immer fest im Pullover seines besten Freundes vergraben hielt. Er war ebenfalls froh, dass Emilio hier war. Eben war er es noch nicht gewesen und hätte ihn am liebsten direkt wieder hinaus geworfen, aber nun war er froh darüber, nicht erneut mit allem allein zu sein. Benito begriff erst jetzt gänzlich, welchen hohen Stellenwert der Ältere für ihn hatte und wie wichtig ihm ihre Freundschaft war. Ein gepresstes Schluchzen drang aus Benitos Kehle, wie eine Art Zustimmung auf Emilios Worte.

Es verging noch mehr Zeit, in der die Tränen irgendwann versiegten und das Schluchzen verklang. Benito fühlte sich noch immer grauenvoll, aber er hatte sich zumindest so weit beruhigt, dass die Tränen nicht mehr ungehindert aus ihm herausquollen. Emilio löste sich von ihm und holte Taschentücher hervor. Eines davon nahm Benito entgegen und trocknete mit seinem Ärmel sein nasses Gesicht, welches wegen der Tränen rot glühte. Den Stoff seines Ärmels zog er über seine Faust, um damit seine Augen abzutupfen, dann legte er das Taschentuch an die Nase und schnaubte ein paar Mal kräftig. Die Tränen hatten bei ihm alles so dermaßen aufgelöst, dass er schon gar keine Luft mehr bekommen hatte. Nun waren seine Nebenhöhlen wieder frei und er atmete tief ein.
Ein kurzer Blick wurde in Emilios Gesicht geworfen, welches ebenso verquollen aussah, wie Benito sich gerade fühlte. Als hätte er die Erkältung noch immer nicht hinter sich gelassen, sondern befände sich noch mittendrin. Wie Emilio es schaffte, da auf einmal zu lachen, wusste Benito nicht. Er fühlte sich überhaupt nicht nach Lachen, auch wenn sie beide ein lustiges Bild abgaben. Allerdings war es vor allem auch erbärmlich. Er starrte Emilio an. Nicht entsetzt, sondern eher bewundernd. „Wie schaffst du das nur?“, fragte Benito ihn mit belegter Stimme und mit hängenden Schultern.

Allerdings hatte Emilio recht. Diese Situation zwischen ihnen war schlimm gewesen und es hatte Benito enorm belastet. Er hätte es wegignoriert, wie so ziemlich alles. Aber leicht wäre es nicht gewesen. „Du mir auch“, gestand Benito leise und knüllte das feuchte Taschentuch in seiner Hand zusammen. Er behielt den Blick auf seiner Hand, schluckte schwer und schniefte leise. Dann hob er den Kopf und warf das Taschentuch quer durch das Zimmer in seinen Papierkorb.
Schokomuffins? Fragend wandte Benito den Blick zu Emilio. Dann sah er zu der Tüte herüber, die er vorhin bereits in der Hand gehabt hatte, der Benito allerdings keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Sie sah reichlich gefüllt aus und erst jetzt kam Neugier über ihren Inhalt auf. „Selbst gemacht?“, fragte Benito und wischte sich mit dem Handrücken noch einmal über die Wangen. Dann nickte er eifrig. Er brauchte dringend Zucker. Irgendetwas zu naschen und Schokomuffins klangen gerade wunderbar.
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