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forgive and forget - Emilio Cortés - 30.05.2021

Es hatte nur wenige Gelegenheiten gegeben, an denen Emilio so aufgeregt gewesen war wie in diesem Augenblick, als er vor der Tür des Medina Anwesens stand und sein Finger über der Klingel schwebte. Sein Herz klopfte wie verrückt, seine Hände waren schwitzig. Trotz der eisigen Kälte an diesem Dezembertag war ihm warm. Diese Situation war ihm nicht neu. Er wusste nicht sein wievielter Versuch dies nun schon war, sich bei Benito zu entschuldigen. Bisher hatte er keinen Erfolg gehabt, Benito hatte noch immer kein einziges Wort mit ihm gesprochen. Er ignorierte seine Text Messages und seine Anrufe, auch auf allen Sozialen Kanälen war er nicht zu ihm durchgedrungen. Nicht einmal auf seine Geburtstagsglückwünsche hatte Benito geantwortet und Emilio hatte mittlerweile die Vermutung, dass ihn sein ehemaliger bester Freund blockiert hatte. Auch in der Schule ignorierte er ihn eiskalt.

Er hatte Glück, dass ihm an diesem Tag Claudia die Türe öffnete. Wie immer trug sie diesen musternden Blick, der ihn ein kleines bisschen zusammenschrumpfen ließ. Sie konnte eine sehr einschüchternde Frau sein. Auch diesmal bat Emilio darum Benito zu sehen, auch diesmal ließ sie sich nicht beirren. Und als er begann verzweifelt zu betteln, blieb sie hart. Mit traurig gesenktem Kopf hielt er ihr schließlich die Papiertüte hin, die er bei sich hatte. Darin enthalten waren selbstgebackene Muffins, eine Packung grüner Gummibären, eine Packung Mini-Waffeln sowie ein Comic, bei dem sich Emilio nicht sicher war, ob Benito ihn überhaupt mochte. Aber Emilio hatte ihm das nie persönlich geben können, sein Geburtstagsgeschenk. Der erste Geburtstag seit Jahren, bei dem Emilio nicht anwesend gewesen war und seinen besten Freund gesehen hatte. Es schmerzte. “Schon gut, du kannst es ihm selbst geben.“, drang plötzlich an seine Ohren, ehe Claudia die Türe weiter öffnete und ihm damit signalisierte eintreten zu dürfen.
Überglücklich betrat Emilio das Haus und streifte sich die Schuhe ab, sowie den Mantel und den Schal, ohne länger darüber nachzudenken woher der plötzliche Sinneswandel kam. Er bekam die Info, dass Benito oben war sowie die eindringliche Bitte den Streit zu klären. Benito wäre seit Tagen nur noch in seinem Zimmer und sie mache sich Sorgen um ihn. Mit einem mehr als schlechten Gewissen, als ohnehin schon, stampfte er also die Treppen hinauf und machte erst vor Benitos Zimmer halt. Claudias Worte blieben ihm unangenehm im Kopf. Ging es Benito wirklich so schlecht, dass er nicht mehr rausgehen wollte?
Er nahm sich ein paar Momente, um noch einmal durchzuatmen. Er schaffte das. Er würde sich entschuldigen, auch auf Knien, wenn es sein musste. Diese letzten Tage und Wochen waren der Horror für ihn gewesen. Er vermisste Benito, so sehr. Er vermisste seinen besten Freund und er hasste es, dass diese schreckliche Lüge sie entzweit hatte. Nach dem Outing hatte er so ziemlich alles verloren was ihm wichtig war, aber er würde nicht eher ruhen, bis diese eine Sache geklärt war. Auch wenn Benito ihm vielleicht niemals verzeihen würde, so wollte er das Ganze zumindest klarstellen. Klarstellen, dass er niemals mit Arian geschlafen und ihn hintergangen hatte. Die Kleinigkeiten in der Tüte waren ein kleiner Versuch ihn weichzukochen und er versuchte nicht daran zu denken, dass er die Idee dafür größtenteils aus einer SMS Unterhaltung mit Arian hatte.

Entschlossen hob er also die Hand und klopfte an. Er wartete auf das ‚herein‘, ehe er vorsichtig die Türe aufschob und eintrat. Sein Herz klopfte dabei stark gegen seine Brust. Und dann sah er ihn, Benito, der seinen Blick noch nicht erhoben hatte. Allein der Anblick seines besten Freundes löste eine Welle aus Trauer und Sehnsucht in ihm aus. Alles, was er in diesem Augenblick wollte, war auf ihn zuzulaufen und ihn fest zu umarmen, aber Emilio hielt sich mit aller Macht zurück und blieb im Türrahmen stehen. “Hey.“, murmelte er leise, schüchtern und umfasste die Tüte etwas stärker, sodass sie in seinen Händen raschelte.



RE: forgive and forget - Benito Medina - 03.06.2021

In seinem Zimmer war es ziemlich düster, da Benito die Vorhänge bereits zugezogen hatte, nachdem er nach der Schule sein Zimmer betreten und den Rucksack in eine Ecke gepfeffert hatte. Seit ein paar Stunden saß er bereits vor seinem Computer, die Hausaufgaben hatte er gar nicht erst angerührt und auch über die Woche hatte sich einiges angestaut, was er über das Wochenende dringend nacharbeiten musste. Nur war das Interesse daran nicht allzu groß. Es verschaffte nicht genug Ablenkung, um seine Gedanken nicht schweifen zu lassen und wenn er ehrlich war, setzten ihn die Hausaufgaben selten vor eine große Herausforderung. Daher ließ Benito sich lieber mit Videospielen beschallen. Die forderten seine kognitiven Fähigkeiten und sein Reaktionsvermögen. Erst hatte er an Witcher gesessen, aber das ewig durch die Landschaften reiten, hatte wieder dazu geführt, dass er nur nachgedacht hatte. Deshalb war er zu WoW übergegangen und meldete sich Dungeon um Dungeon als Tank oder Heal an, damit er auch bloß schnell eine Gruppe fand und gar nicht erst Wartezeit überbrücken musste. Neben ihm lag eine aufgerissene Tüte Chips und auf seinem Hoodie verteilten sich inzwischen ein paar Krümel und fettige Flecken, da er seine Finger immer wieder an dem Stoff abrieb, bevor er sie wieder an seine Maus oder die Tastatur legte.
Es funktionierte gut. Es funktionierte alles irgendwie gut. Und je öfter er sich das sagte, desto mehr glaubte Benito das auch. Die Tatsache, dass er seit über zwei Wochen nur noch mit finsterem Gesicht herum lief und es mit der Ordnung nicht mehr so genau nahm, ließ jedoch durchsickern, dass es doch nicht so gut funktionierte. Seine Großmutter hatte ihm inzwischen verboten weiterhin in seinem Zimmer seine Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Nicht nur, weil sich bis vor einer Woche das Geschirr in seinem Zimmer gestapelt hatte, sondern auch damit er diesen Raum mal verließ und am Familienleben teilnahm. Zu anderen Aktivitäten bewegte er sich ohnehin nicht mehr vor die Tür. Benito mied die Außenwelt, genauso wie er Menschen mied. Selbst seiner Gilde hatte er die letzten Tage immer abgesagt, wenn sie ihn für Raids angefragt hatte. Er hatte einfach keine Lust auf die Calls. Sein Handy nutzte er praktisch nur noch, um unter der Dusche Musik zu hören, denn Nachrichten ignorierte er, egal von wem sie kamen und manche Leute, die zu penetrant gewesen waren, hatte er sogar blockiert.

Alle im Haus wussten, dass er allein sein wollte und niemanden sehen. Dieser Wunsch wurde auch respektiert, auch wenn allmählich vorsichtige Fragen auftauchten, ob er nicht mal wieder rausgehen wollte, ob er mal wieder unter Leute gehen wollte, ob es ihm gut ging. Er ignorierte auch diese Fragen. Sie wurden überwiegend von Claudia, Andrea und seinem Großvater gestellt. Seine Großmutter stellte sie nicht und ließ ihn vor allem einfach machen, weil er ihr als einzige alles erzählt hatte und sie verstand, was los war. Und dafür war er ihr unendlich dankbar. Weil sie verstand. Von allen verstand sie es am Besten.
Trotzdem hatte irgendjemand unten im Haus seinen ausdrücklichen Wunsch ignoriert, denn als es an der Tür klopfte, erwartet er eine der Frauen, die seine Wäsche oder sonst etwas wollten und irgendeinen Vorsatz gefunden hatten, um nach ihm zu sehen. Nur war es keine der Frauen. Weder Claudia, noch Andrea. Benito hob den Blick erst verzögert, weil er gerade dabei war in den Hallen der Tapferkeit seine Gruppe mit der Aegis abzuschirmen. Skovald ging schließlich zu Boden und während Odyn sich für den Kampf bereit machte und seine Rede hielt, sah Benito zur Seite um schnaubend festzustellen, dass Emilio herein gekommen war. Er warf ihm einen abfälligen Blick zu, weil er es einfach nicht fassen konnte, dass er so dreist war in sein Haus, sogar in sein Zimmer zu kommen. Doch bevor er irgendetwas kommentieren konnte, ging der Kampf mit dem Endboss los und Benito kam seiner Arbeit als Tank nach. Er tippte auf der Tastatur herum, ignorierte Emilio geflissentlich und ließ sich Zeit damit am Ende den Loot aufzusammeln und am Ende noch ein paar Plattenstiefel an ein Gruppenmitglied zu handeln, weil er die nicht brauchte. Erst als er die Gruppe verlassen hatte, nahm er die großen Kopfhörer vom Kopf und wandte sich Emilio zu.
„Ich glaube, ich habe dich ausdrücklich genug ignoriert, um dir zu verstehen zu geben, dass du direkt wieder verschwinden kannst“, sagte Benito mit schneidender Stimme. Er würde nicht so eine Show wie damals Valerio und Arian auf dem Schulhof hinlegen. Er würde sich nicht mit Fäusten auf seinen besten Freund stürzen. Er wollte ihn schlicht und einfach aus seinem Leben löschen.


RE: forgive and forget - Emilio Cortés - 05.06.2021

Herzukommen war ein schwerer Schritt gewesen, allerdings der einzig richtige, den er hätte machen können, davon war Emilio überzeugt. Er hatte nicht vor, sich länger in Selbstmitleid zu suhlen und wollte das reparieren, was hoffentlich noch nicht gänzlich zerbrochen war. Die höllischen, letzten drei Wochen hatten ihm gezeigt, wie sehr man Freunde in schweren Zeiten brauchte und in diesem Moment brauchte er Benito, damit sich diese Faust um sein Herz endlich wieder lösen konnte. Über Val war er noch lange nicht hinweg, aber an den versuchte er nicht mehr zu denken. Ihr Bruch war hart und abrupt gekommen, genauso wie Arians Verrat, doch beide wollte er gar nicht mehr in seinem Leben haben. Benito jedoch hatte er nie verlieren wollen und er betete, dass ihre Freundschaft noch irgendwie zu retten war. Letztlich galt es nur ein Missverständnis zu klären, denn alles, was zwischen Arian und ihm damals geschehen war, war ein unschuldiger Kuss. Allerdings war es schwer gewesen, irgendeinen Kontakt zu Benito aufzubauen, da der praktisch der Meister im Ausweichen geworden war.

Der Moment, in dem Benito ihn im Türrahmen erblickte war schmerzhaft. Da war keine Emotion in dem Blick des anderen außer unverhohlene Abneigung ihm gegenüber. Etwas, was er nie geglaubt hatte einmal in dem Blick des anderen zu lesen. Sie tauschten keine Worte aus, keine Begrüßungen oder sonstiges, denn Benito drehte sich um, um sein Videospiel fortzuführen und ließ Emilio eiskalt stehen. Der verweilte noch einige Sekunden unschlüssig auf dem Fleck, ehe er sich rührte, die Tür hinter sich schloss und sich dann auf Benitos Bett niederließ. Etwas verloren blieb er dort sitzen, sah sich in dem chaotischen Zimmer um und versuchte teils das Geschehen auf dem Display zu verfolgen. Aber letztlich interessierte er sich nur für Benito.
Kurz bevor er das Wort erheben wollte, um nicht das unbelebte Objekt zu mimen, kam Benito ihm zuvor. Etwas überraschend, da Emilio beinahe geglaubt hatte der andere würde ihn ohne weiteres dort sitzen lassen. Benito gab ihm mit nachdrücklicher Stimme zu verstehen, dass er ihn hier nicht haben wollte, aber zumindest sah er ihn nun an. Das erste Mal seit langem, dass sie einander wirklich gegenübersaßen. “Claudia hat mich reingelassen.“, erklärte er etwas lahm, denn er hatte das dringende Gefühl zu vermitteln, dass er hier nicht einfach eingebrochen war. "Bevor du mich rausscheuchst, kannst du mir zumindest kurz etwas Zeit geben, um alles zu erklären?“, fragte er vorsichtig, sah seinem Freund aber mit bittendem Blick entgegen. “Ich weiß, dass du mich hasst.“, fuhr er fort, etwas bitter um diesen Umstand, “Aber bitte, hör mir einfach zu? Du hast dich damals einfach abgewandt, ohne mir die Chance zu geben mich zu rechtfertigen. Komm schon, bitte Benny.“ Er hoffte, dass sein Hundeblick noch immer funktionierte, so wie er es schon immer getan hatte. Er zählte darauf, dass sein Freund trotz allem noch ein kleines bisschen Sympathie für ihn übrig hatte. “Und wenn du mich dann immer noch hasst, dann lasse ich dich auch in Ruhe. Versprochen!“



RE: forgive and forget - Benito Medina - 06.06.2021

Es war kaum zu fassen, dass Emilio den Wink mit dem Zaunpfahl offenbar nicht begriff. Wobei Benito in diesem Fall eher mit dem ganzen Zaun gewunken hatte. Aber offenbar würde er ihm diesen Zaun wohl sogar vor die Füße schmettern müssen, damit er verstand, dass er nicht mit ihm reden wollte und er sich einfach verpissen sollte. Leider schien die eisige Froststimmung, die ihn in seinem Zimmer empfing nicht genug abzuschrecken, so dass er direkt wieder kehrt machte. Stattdessen war er sogar tapfer genug, sich auf sein Bett zu setzen. Damit saß er hinter Benito und dieser konnte seine Anwesenheit im Rücken praktisch spüren, was alles nur noch viel unangenehmer machte.
Claudia hatte ihn reingelassen. Das war klar. Gerade dachte Benito ernsthaft darüber nach, ob man sie dafür, dass sie damit praktisch eine Weisung seinerseits ignoriert hatte, abmahnen konnte oder was auch immer. Sie war ihre Angestellte, aber sie kam neben seiner Großmutter, einem Mutterersatz noch immer am nächsten, daher würde es wohl nur bei trotzigen Blicken und bockigem Verhalten bleiben.
Eben wollte Benito dazu ansetzen, dass Claudia ihn sicher auch wieder herauslassen würde und zwar jetzt sofort, als Emilio ihm über den Mund fuhr. Ein mehr als genervter Blick wurde zu seinen Kopfhörern geworfen, die er nur allzu gern wieder auf seine Ohren gesetzt hätte, um alles um ihn herum und ganz besonders Emilio auszusperren. Er wusste nicht wie er reagieren würde, wenn Emilio noch länger hier bleiben und ihn reizen würde und Benito wollte es auch wirklich nicht herausfinden.

Seine Hände, die er auf den Armlehnen seines Schreibtischstuhls abgelegt hatte, ballten sich zu Fäusten und seine Lippen wurden schmal. Emilio redete und ihm drehte sich bereits alles in seinem Inneren herum. Ihm wurde schlecht, heiß, sein Blutdruck schoss in die Höhe und eine erdrückende schwere legte sich auf seine Brust. Benito ertrug es kaum Emilio ins Gesicht zu sehen. Die letzten Tage und Wochen war er ihm vehement aus dem Weg gegangen, weil sein bloßer Anblick ihn völlig zerrissen hat. Er kam damit nicht zurecht und konnte mit diesem straffen Knäuel aus Gefühlen nicht umgehen.
„Rechtfertigen?“, flüsterte Benito und seine Miene, die bisher überwiegend kühl oder verkrampft gewesen war, spiegelte nun Fassungslosigkeit wider. „Du willst dich rechtfertigen?“ Nun merkte er wie ihm plötzlich ein Brocken kalter Wut von seinem Magen ausgehend hochschoss. Der Hundeblick, Emilios Geheimwaffe, war in diesem Augenblick vollkommen machtlos und wurde einfach übergangen. Benito wandte sich ihm nun direkt zu. Seine Stimme schwoll unvermittelt stark an. „Wie rechtfertigst du, dass du meinen Freund gefickt hast?!“ Benito stand ruckartig von seinem Schreibtischstuhl auf und lief zu seiner Zimmertür herüber. Der Schlüssel wurde herum gedreht und die Tür damit versperrt. Plötzlich war Benito aufmerksam und hatte große Lust diese Unterhaltung zu führen.
Er drehte sich wieder herum und fixierte Emilio mit bohrendem und wütenden Blick. „Los rechtfertige dich dafür, Emilio. Aber ich schätze, dass keine Rechtfertigung dieser Welt dafür sorgen würde, dass ich dich nicht länger hasse.“ Es war beinahe Lachhaft. Allein diese Formulierung war schon vollkommen lächerlich. Wenn Emilio vorgehabt hatte, ihn zu provozieren und in der Wunde herumzustochern, dann hatte er es geschafft. Er konnte nicht ernsthaft erwarten, dass seine Taten entschuldigt werden konnten, nur weil er einen guten Grund dafür gehabt hatte. Es gab keinen guten Grund für das was Arian und Emilio getan hatten.


RE: forgive and forget - Emilio Cortés - 06.06.2021

Emilio versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es ihn traf, wenn Benito ihn mit diesem eisigen Blick bedachte. Dieser Blick, der ganz deutlich aussagte, wie sehr er ihn verabscheute. Sein natürlicher Instinkt war es also tatsächlich Benitos Aufforderung zu folgen und zu verschwinden, nur um ja nicht mehr diese Kälte in dem Blick des anderen zu sehen, aber Emilio zwang sich zu bleiben. Er würde sich nur immer mehr in den Selbsthass treiben, wenn er nicht zumindest einmal versucht hätte die Sache anständig zu klären. Doch Benito war Benito und der machte es ihm sicherlich nicht leicht.

Die anfangs noch relativ ruhige, aber bittere Stimme seines Freundes wandelte sich innerhalb weniger Sekunden in eine laute, zorn-geladene, die Emilio unvermittelt zusammenzucken ließ. Seine Augen wurden groß, als Benito vor ihm vom Stuhl aufsprang und dann zur Tür hechtete. Beinahe glaubte er der andere würde nun gehen, stattdessen war ein ‚Klick‘ zu hören und die Türe war verschlossen. Es war beinahe schon gruselig. Allein die Überforderung sorgte zum Glück dafür, dass er nicht sofort in Angstschweiß und Zittern ausbrach. So hatte er Benito noch nie erlebt. Es war schmerzhaft, erschreckend und traurig zugleich und er benötigte all seine Kraft, um nicht sofort nachzugeben und anfangen zu heulen wie ein Weichei.
Denn da war diese Stimme, die ihm sagte wie unfair das alles war. Benito hatte ihm schließlich nie zugehört und ihm keine Gelegenheit gegeben sich zu erklären. Aber war jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt dafür? Er hatte Benito noch nie so aufgelöst gesehen, ob es besser war ihn lieber zu lassen? Andererseits hatte sich der andere regelrecht vor der Türe aufgebaut und es wirkte nicht so, als wäre er bereit ihn so bald wieder hinauszulassen. Also besser jetzt, als später.

Er nahm einen tiefen Atemzug, stellte die Tüte am Boden ab und erhob sich dann ebenfalls, um sich zu Benito umzudrehen. Er zwang sich ihm in die Augen zu sehen, obwohl es ihn noch immer schmerzte dort diese unverhohlene Wut in den Augen des anderen zu sehen. “Ich habe ihn nicht…gefickt.“, sprach er dann, wobei er vor allem über das letzte Wort stolperte. Es erschien ihm viel zu vulgär für den Moment. Er verzog kurz das Gesicht. “Es ist nichts zwischen Arian und mir passiert.“ Er sah, wie Benito den Mund aufmachte und hob schnell seine Hand. Dabei war er auch einen Schritt auf den anderen zugegangen. “Warte, hör mir zu, bitte! Arian hat gelogen Benito! Er hat gelogen!“, rief er inbrünstig aus. Denn das war das wichtigste. Ein kleines Detail, das aber zu all dem Schmerz geführt hatte.
Sein Atem ging schneller, während er hastig versuchte sich zu erklären und Benito dabei keine Chance zu lassen dazwischen zu grätschen. “Er hat diese lächerliche Lüge erfunden, um Valerio wehzutun…du…du hast doch gesehen wie sie sich gestritten haben. Arian wusste von Valerio und mir und….er…ich weiß nicht warum, aber er hat es einfach vor allen anderen gesagt. Er hat gelogen ohne mit der Wimper zu zucken. Was hätte ich machen sollen? Ich war wie…versteinert. Sie haben mich alle angesehen, als wenn....Glaubst du ich wollte, dass er mich vor allen anderen outet?!“ Während er sich immer weiter in Rage redete, sammelten sich in seinen Augen nun die Tränen. “Ich wusste nicht...ich konnte nicht...“ Zittrig atmete er ein und aus. All die Verzweiflung der letzten Wochen strömte wieder auf ihn ein. Es war ihm alles zu viel. Der Schmerz, die Scham...Benitos Hass..."Ich hab nie mit ihm geschlafen, ich schwöre es!" Sein Blick fixierte Benito mit aller Macht und er betete, dass sein Freund die Wahrheit in seinen Augen erkennen würde. “Bitte glaube mir…Benito. Ich wollte das alles nicht...“, hängte er an, während seine Stimme brach und zu einem Schluchzen wurde.



RE: forgive and forget - Benito Medina - 06.06.2021

Die letzten drei Wochen hatte Benito wirklich jede Möglichkeit auf ein Gespräch abgeblockt und kein Wort hören wollen. Weder von Arian, noch von Emilio. Er hatte sie ausgesperrt. Er hatte alle ausgesperrt. Jetzt war das anders. Er hatte die Welt ausgesperrt und Emilio mit zu sich, damit er ihm diese eine Sache erklärte. Plötzlich wollte er hören, wieso ausgerechnet sein bester Freund, der ihn noch dazu ermutigt hatte, sich auf Arian einzulassen, ihn derart hintergangen hatte. Er wollte es wissen.
Lange hatte Benito sich den Kopf zerbrochen. Seine Gedanken waren die Worte, die Arian Valerio an den Kopf geschmettert hatte, immer wieder durchgegangen. Es hatte Sinn ergeben. Sie trafen sich etwa so lange, wie Arian und Benito es getan hatten. Sie hatten viel Kontakt gehegt. Gott, Benito war sogar kurz nach eine ihrer ‚Nachhilfestunden’ bei Emilio aufgetaucht, wo er ihn bloß im Handtuch bekleidet empfangen hatte, nachdem Arian sein Haus verlassen hatte. Und Benito hatte sich nie getraut mehr zwischen ihm und Arian passieren zu lassen, weil er noch Jungfrau war und keinerlei Erfahrungen gemacht hatte, während Emilio fast schon zu aufgeschlossen war, was diese Thematik anging. Vielleicht hatte Arian irgendwo doch seine Bedürfnisse stillen müssen und Emilio war die naheliegendste Möglichkeit gewesen.
Das alles hatte in einem so starken Kontrast zu dem gestanden, was er mit Arian erlebt hatte, dass Benito heute nicht mehr wusste, was er noch glauben sollte. Aber die Worte, die Arian ausgesprochen hatte, hatten sich in seinen Kopf gebrannt und sie ließen ihn nicht mehr los, ganz egal wie sehr Benito versuchte sich abzulenken und davon frei zu machen. Es gelang ihm nicht.

Es war als würde Benito mehrere Stadien durchlaufen. Erst war da unsagbare Verzweiflung gewesen. Dann krampfhafte Leugnung, weil ihn das alles doch einfach besser kalt lassen sollte. Inzwischen war er bei Wut angekommen. Emilio hatte sie hervorgeholt und Benito feuerte sie ihm haltlos entgegen.
Natürlich glaubte Benito seinem besten Freund nicht sofort, als dieser sich damit verteidigte, er hätte nicht mit Arian geschlafen. Erstmal abzustreiten war eine logische Reaktion und nach allem was passiert war, war es wohl auch nicht sonderlich verwunderlich, dass Benito sich eben nicht sofort beruhigte und Emilios Worten Glauben schenkte.
Er wollte lachen. Bitter und resigniert, drang der Ton aus seiner Kehle und er setzte bereits zu sprechen an, als Emilio ihm schon ins Wort fiel. Danach wurde alles nur noch verrückter und unglaubwürdiger. Arian hatte gelogen. Ja klar. Benito schüttelte den Kopf. Er verschränkte die Arme vor der Brust, seine Lippen zuckten, als müsste er sich ein Knurren verkneifen. Kurz bohrte er seine Zähne in seine Lippen und blies genervt die Luft aus, seine Fingerkuppen drückten sich in seine Oberarme und ließen die Haut weiß werden.
Sein Blick richtete sich auf Emilio, während dieser weitersprach und versuchte zu erklären, während Benito eher das Gefühl hatte, er würde sich um Kopf und Kragen reden. Zu der Wut in seinen Augen mischte sich Verwirrung und Unverständnis. Seine Stirn runzelte sich mehr und mehr. Nichts davon ergab Sinn. Nichts.
Die Augen seines Freundes füllten sich mit Tränen. Doch anders als sonst hielt Benito diesem Blick dieses Mal stand. Während sich sein Brustkorb vor Aufregung sichtbar hob und senkte, starrte er Emilio an, als würde er auf eine Erklärung warten, die all das hier vernünftig und nachvollziehbar aufklärte. Doch die kam nicht. Er wusste nicht wem er hier nun glauben sollte und er verstand nicht, was zu all dem geführt hatte. Benito verstand überhaupt nichts mehr. „Wieso sollte er lügen? Wieso sollte er so etwas behaupten?“, fragte er Emilio nun, als wäre er der Komplize dieser Übeltat, obwohl er bereits gesagt hatte, dass er nicht wusste warum. Vollkommen egal, ob es eine Lüge oder die Wahrheit war, Arian hätte klar gewesen sein müssen, dass er nicht nur Valerio damit verletzen würde. Er hatte nicht nur Valerio den Boden unter den Füßen weggerissen. „Hast du überhaupt eine Ahnung, wie grausam das ist? Arian sagt das, aber du etwas ganz anderes. Wie soll ich dir noch vertrauen oder dir irgendetwas glauben?“ Mit diesem Gedanken rang er nun schon seit Wochen. Er hatte ihnen beiden vertraut. Ihnen beiden, sonst niemandem. Aber dieses Vertrauen war zerstört. Benito fühlte sich ausgenutzt und weggeworfen von den beiden Menschen, die er am meisten geliebt hatte. Gerade das war das Schrecklichste daran. Er war schon vor langer Zeit einmal das Stück Müll gewesen, was weggeworfen worden war. Er hatte es nie wieder werden wollen.


RE: forgive and forget - Emilio Cortés - 07.06.2021

Zumindest in einer Sache gab es eine Übereinstimmung, denn auch Emilio konnte bis heute nicht begreifen, wie es je so weit hatte kommen können. Was hatte er getan, dass Arian ihn derart hintergangen hatte? War nicht er es gewesen, der dem Alarcón über Wochen hinweg geholfen hatte? Es war nur natürlich, dass Emilio den Fehler zuerst an sich gesucht hatte, aber in den letzten Wochen war er aus Verzweiflung immer mehr dazu übergegangen die Schuld dem Älteren zuweisen. In seiner Wut hatte er jegliche Versuche seitens Arian ein Gespräch zu beginnen abgeblockt, hatte ihn sogar angeschrien als sie sich am Tag danach noch über den Weg gelaufen waren und schließlich auch seine Nummer geblockt. Er war so tief verletzt gewesen, so beschämt, dass er dem anderen nicht mehr hatte in die Augen blicken können. Immer mehr kam er nun zu dem Schluss, dass Arian ihnen allen nur etwas vorgespielt haben musste. Oder einfach zwei Gesichter hatte: eine gute und eine schlechte Seite. Irgendwo machte es auch Sinn, so dachte es sich Emilio, dass Arian auch einen fiesen Charakter haben musste, wie sonst hätte er sich all die Jahre so gut mit Valerio verstanden? Emilio tat es besonders leid um Benito, den er sogar mehr in Arians Richtung gepushed hatte. Er war glücklich für die beiden gewesen, wirklich, denn er hatte gedacht, dass Arian ein guter Mann war. Einer, der es schaffte, seinen besten Freund glücklich zu machen. Aber seit dem Vorfall auf dem Schulhof, war nichts davon noch gewiss. Wenn Arian so dreist gelogen hatte…was sonst war alles noch eine Lüge gewesen?

Emilio redete sich in Rage, seine Gedanken überschlugen sich. Er wollte Benito so viel auf einmal sagen und endlich Ordnung in das Chaos bringen, allerdings machte er es nur noch schlimmer. Benito schien ihm kein bisschen zu glauben, was Emilio einen schmerzhaften Stich versetzte. Aber das war wohl seine Schuld…das Vertrauen zwischen ihnen war gebrochen. Benito hatte keinen Grund mehr ihm zu glauben und doch wollte er nichts mehr als dass er es tat.
“Ich…ich weiß es doch nicht!“, rief er verzweifelt aus, denn das war genau die Frage gewesen, die er sich die letzten Wochen immer wieder gestellt hatte: Warum hatte Arian all das behauptet? Er verstand Benitos Standpunkt jedoch und hätte vor Verzweiflung am liebsten geschrien. Kraftlos ließ er sich wieder auf das Bett sinken, den Kopf gesenkt. Er schniefte ein paar Mal und wischte sich dann ein paar Tränen aus dem Gesicht, die übergequollen und seine Wange hinunter gelaufen waren. Auf einmal fühlte er sich müde. So müde. Er wollte einfach, dass es so war wie zuvor. Er wollte seinen besten Freund zurück.
“Ich habe auch niemals erwartet, dass er sowas machen würde. Ich dachte, wir wären Freunde. Ich habe ihn unterstützt und ihm geholfen, sodass er seine Prüfungen besteht und seinen Abschluss machen kann. Da war nie was anderes außer Freundschaft zwischen uns…aber, ich weiß nicht. Vielleicht habe ich mich geirrt. Vielleicht war Arian nie so wie wir dachten. Wenn ich gewusst hätte, dass er so sein kann…hätte ich dich vor ihm beschützt. Aber ich war selbst so beschäftigt mit…“, Valerio wollte er sagen, doch er sprach es nicht aus. Nicht, wenn allein der Klang seines Namens ihm noch Herzschmerz bereitete.
Sein Fuß stieß gegen die Tüte, die noch am Boden stand. Seltsamerweise entfuhr ihm ein kleines Lachen. “Er hat mir gesagt du magst grüne Gummibärchen, also hab ich dir welche besorgt für deinen Geburtstag. Wir haben sogar noch zusammen geplant, was wir machen können.“ Er schüttelte den Kopf und schob die Tüte von sich, Richtung Benito. Als er seinen Kopf hob, sah er seinem Freund mit feuchten Augen entgegen. “Wenn du magst. Es tut mir leid, dass ich an deinem Geburtstag nicht da sein konnte.“ Ein kleines Seufzen entfuhr ihm. Die kurze Stille im Raum wurde nur durchbrochen vom Rauschen des Computers. “Ich weiß nicht, wie du mir wieder vertrauen kannst. Aber ich bin ehrlich zu dir. Ich war immer ehrlich, ich hab dich nie angelogen. Das weißt du doch. Du bist mein bester Freund, eher würde ich mir das Bein abhacken...wie in Saw, bevor ich dich verraten würde.“ Er schaffte es ein kleines Lächeln zustande zu bringen.



RE: forgive and forget - Benito Medina - 08.06.2021

Emilio wusste es nicht. Benito wusste es nicht. Keiner von ihnen konnte diese Frage beantworten und diese Tatsache machte Benito beinahe wahnsinnig. Es war frustrierend. Es ergab keinen Sinn. Es machte ihn wütend. Während Emilio sich auf das Bett sinken ließ und völlig erledigt wirkte, starrte Benito ihn eindringlich an. Als erwartete er – hoffte er – da würde noch irgendeine Erklärung kommen. Er starrte irgendwann durch seinen Freund hindurch und atmete schwer aus, als würde er großen Druck ablassen müssen. Langsam richtete Benito sich wieder auf und legte seine Hand an sein Gesicht. Er versuchte sich zu sammeln und zu beruhigen, er wollte irgendwie logisch und bedacht an diese Sache herangehen, auch wenn das schon längst zu spät war. Der Versuch runterzukommen schlug auch ziemlich viel, denn sein Herz raste und es machte immer wieder einen unangenehmen, holprigen Satz in seiner Brust.
Nun setzte Emilio wieder zu Reden an und Benito hörte ihm zu, während er seine Hand in seinen Nacken legte und auf seinen Lippen herumkaute. Dieses Mal sah er den Älteren nicht an, sondern sah mit leerem Blick zu seinem Schreibtisch, um dort nichts bestimmtes ins Auge zu fassen. Eines was Emilio sagte, traf Benito ganz besonders schlimm. Vielleicht war Arian nie so wie wir dachten. Die vielen Momente, die sie zusammen verbracht hatten. Die Momente in denen er geglaubt hatte ihn zu kennen. Da war der Morgen, als er zum ersten Mal bei Arian übernachtet hatte und sie sich wieder versöhnt hatten, weil keiner von ihnen den Streit ausgehalten hatte. Der Abend auf dem Jahrmarkt, an dem sie sich zum ersten Mal geküsst hatten. Sein Herz hatte ihm bis zum Hals geschlagen und Benito hatte sich nie derart beflügelt gefühlt, wie an diesem Tag. Es hatte so viele Gespräche zwischen ihnen gegeben, an denen Arian ihm so viel anvertraut hatte. Auch Benito hatte sich ihm anvertraut. Er hatte ihm Dinge über sich Preis gegeben, die niemand von ihm wusste. Die Vorstellung, Arian könnte ihm das alles bloß vorgemacht haben … aus welchem Grund auch immer … ein schweres Gefühl legte sich auf seine Brust und drohte ihn zu ersticken. Benito fühlte sich verraten und hintergangen. Noch mehr als zuvor.

Kraftlos sackte auch er vor seiner Zimmertür zusammen. Benito rutschte an ihr gelehnt hinunter auf den Boden. Die Beine angewinkelt, legte er die Hände auf die Knie und starrte sie mit leerem Blick an. „Zumindest hat er darüber keine Lügen erzählt“, sagte er mit schwerer Stimme, als Emilio auf die Gummibärchen zu sprechen kam. Er bemerkte aus dem Augenwinkel, dass sein Freund ihm die Tüten zuschob, aber er hob nicht den Kopf. Stattdessen legte er sein Gesicht in seine Hände. „Mein Geburtstag ist mir so scheiß egal“, drang seine Stimme gedämpft durch seinen Händen hervor. Den hatte er ohnehin allein in seinem Zimmer verbracht. Oft fuhren er und seine Familie an diesem Tag weg, besuchten eine ihrer Yachten oder ihrer Häuser, aber sie hatten Benito nicht motivieren können. Er hatte lediglich den Briefkasten aufgesucht, so wie er es immer tat, um die Postkarte seiner Mutter einzusammeln und hatte dann fast nur noch im Bett gelegen. Seine Großeltern und Claudia und Andrea hatten ihn mit Kuchen hier aufgesucht und sie hatten hier zusammen Kaffee getrunken, aber zu mehr hatte Benito sich nicht hinreißen lassen.
Emilios Erklärung machte das Gefühl in seiner Brust nur noch schwerer. Er war immer sein Halt gewesen. Derjenige auf den er sich hatte verlassen können. Der Ältere war der Mensch, der ihn aus seinem Trott herausholte, ihn gleichzeitig aber auch nicht versuchte zu ändern, sondern so akzeptierte wie er war. Die letzten Wochen ohne ihn und in dem Glauben, ausgerechnet von ihm verraten worden zu sein, waren grauenvoll gewesen. Aber Benito hatte Angst, sich wieder so zu öffnen. Es hatte ihm schwer geschadet und er wollte diese Gefühle nicht länger empfinden. Ihm wurde nur bewusst, wie sehr er ihn gerade an seiner Seite brauchte und dagegen war Benito machtlos.
Als er den Kopf aus seinen Händen hob, liefen Tränen über seine Wangen. Benito hatte nicht einmal selbst mitbekommen, wie sie in seine Augen getreten waren. Sie hatten sich einfach selbstständig gemacht. Schwer tropften sie über sein Kinn. „Emi …“, seine Stimme klang gebrochen und die Wut war aus ihm innerhalb weniger Minuten einfach verpufft und geblieben war nur pure Verzweiflung und Kummer. Als wäre er wieder auf Anfang. Er heulte so wie an dem Tag, als Arians Lüge über sie alle hereingebrochen war. Er fühlte sich so schrecklich. „Wieso hat er das gemacht?“ Nicht nur der Streit auf dem Schulhof und die Lügen, auch die augenscheinlichen Lügen ihm gegenüber. Es konnte doch alles nur eine Lüge gewesen sein oder nicht? Sie hatten beide keine Antwort darauf, aber er musste diese Frage dennoch noch einmal aussprechen. Weil Benito gerade seinen besten Freund brauchte.


RE: forgive and forget - Emilio Cortés - 10.06.2021

Emilio hob den Kopf, als er ein Geräusch vernahm. Was er dann sah, brach ihm das Herz. Benito, der die Türe hinuntergerutscht war und einfach absolut fertig aussah. Erst dann begriff Emilio so richtig, dass auch der Jüngere die letzten Wochen einiges durchgemacht haben musste. Das plötzliche Verschwinden von Arian, die fiesen Gerüchte in der Schule und der vermeintliche Verrat seines besten Freundes. Am schlimmsten von allem war wohl, dass er die ganze Zeit nicht für Benito hatte da sein können. Ihn nicht hatte trösten und Beistand geben können. Denn auch Benito hatte an jenem Tag eine große Liebe verloren….nicht nur Emilio.
Es tat unvorhergesehen stark weh, dass Benito nichts von seinem Geburtstag hielt, wo sie doch so viel geplant hatten, um ihn glücklich zu machen und ihm einen wunderbaren Tag zu bescheren. Dass Benito seinen Geburtstag recht wahrscheinlich in seinem Zimmer verbracht hatte, gab Emilio ein derartig schlechtes Gewissen, dass an vorderster Front nun das Bedürfnis drang, seinen besten Freund einfach nur wieder lächeln zu sehen.

Emilio war bereit auf die Knie zu fallen, damit Benito ihm endlich vergab und ihm vor allem auch endlich glaubte. Aber was konnte er tun, als nur immer wieder zu beteuern, dass es eine Lüge gewesen war? Emilio war bewusst, dass er im Nachteil war…schließlich war es sein Wort gegen Arians. Und Benito hatte Arian geliebt, während er nur der beste Freund war, der den vermeintlichen Verrat begangen hatte.
Doch vielleicht schien Benito endlich die Aufrichtigkeit in seiner Stimme zu erkennen. Es legte sich eine kurze Stille über sie, eine ein gebrochenes ‚Emi‘ an seine Ohren drang, dessen Klang allein ihm kurz die Luft raubte, weil sein Herz so unendlich schmerzte. Als er dann auch die Tränen erblickte, die Benito über die Wangen kullerten, konnte er sich nicht weiter zurückhalten. Auch er begann nun zu weinen, viel zu schmerzhaft und traurig war es seinen besten Freund in diesem Zustand zu sehen und zu wissen, dass er einen großen Anteil daran hatte. Gleichzeitig hatte er das große Bedürfnis, den anderen in eine Decke einzuwickeln und vor der großen, bösen Welt zu beschützen. Wie hatte Arian es nur wagen können, seinen besten Freund so derartig zu verletzen? Der Alarcón hatte so dermaßen selbstsüchtig gehandelt, dass Emilio hier und da zum Schluss kam, dass es doch einfach nur alles vorgespielt gewesen war. Gut so, dass er jetzt weg war. Weit weg von Benny, den er nun nicht mehr weiter verletzen konnte.
“Benny…“, brachte er kratzig über seine Lippen und zögerte nicht länger, sondern stand vom Bett auf, um sich dann neben Benito an die Tür zu setzen. Er schenkte seinen eigenen Tränen keine Beachtung, denn was zählte war jetzt nur Benito, den es galt zu trösten. Er traf auf wenig Widerstand, als er sich einfach vorbeugte, um den Medina in seine Arme zu schließen und ihn fest zu drücken. Die Position war alles andere als angenehm, der Boden war hart, aber er wollte Benito zeigen, dass er für ihn da war und seine Stütze sein konnte. “Ich weiß es nicht…“, krächzte er in Benitos Halsbeuge. Die Frage klang so unschuldig und zeugte davon, wie sehr Arian ihn verletzt hatte. Am schlimmsten war es, dass ausgerechnet Benito, der ohnehin schon vieles durchgemacht hatte, nun so verraten wurde von einer geliebten Person. Es blieb zu hoffen übrig, dass Benito nun nicht jeglichen Glauben in die Liebe verlor. “Es tut mir so leid! Ich verspreche dir, ich lasse dich nicht alleine. Wir schaffen das gemeinsam, ok.“ Er drückte seinen Freund fester. Endlich. Endlich konnte er ihn wieder in seine Arme schließen. Benito hatte ihm so sehr gefehlt.



RE: forgive and forget - Benito Medina - 16.06.2021

Es tat weh, es tat so beschissen weh. Als die Tränen erst einmal unter den Lidern hervortraten, konnte Benito nicht länger an sich halten. Es war ihm die Tage nach dem Schulhof ständig so gegangen. Er hatte so viel geweint, dass er tagelang an immensen Kopfschmerzen gelitten hatte. Seine Augen hatten gebrannt, sogar seinen Wangen, weil er immer wieder mit seinen Händen über beides gerieben hatte. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass er keine Tränenflüssigkeit mehr übrig gehabt hatte, denn es hatte irgendwann einfach aufgehört. Benito hatte sich stumpf und leer gefühlt und dann war er dazu übergegangen, nicht länger nachdenken zu wollen und sich nicht mehr zu fragen, wieso das alles passiert war und weshalb er sich fühlte, als würde er sich von Innen auflösen. Der Schmerz war in eine Taubheit übergegangen, die ihn beinahe mechanisch hatte werden lassen. Es hatte eine knappe Woche gedauert, deshalb war er erst in der Woche darauf wieder in die Schule gegangen.
Doch nun brachen die Tränen erneut aus ihm hervor und Benito fühlte sich, als hätte es ihn im Prozess zurückgeworfen. Er wollte nicht mehr weinen, schließlich hatte er wegen Arian bereits zu viele Tränen vergossen, doch nun da sich eine neue Frage aufgetan hatte, konnte er sie nicht aufhalten. Der Gedanke, dass er nur eine Ablenkung gewesen war, ein Spiel oder Experiment … es war niederschmetternd. Er hatte ihm geglaubt. Er hatte ihm wirklich geglaubt. Alles was Arian zu ihm gesagt hatte. Es hatte etwas magisches gehabt. Was er in seiner Gegenwart gefühlt hatte war nicht in Wort zu fassen gewesen. Verstanden und aufgefangen, als gehörte er genau dorthin. Es hatte sich so richtig angefühlt. Aber nun war Benito hart auf den Boden aufgeschlagen, während er nicht mehr verstand, was überhaupt passiert war und wieso er es so leichtsinnig zugelassen hatte, dass sein Herz so einfach herausgerissen wurde.

Sein Körper bebte und zitterte aufgrund der Tränen, die immer noch aus ihm hervordrangen. Emilio tauchte neben ihm auf und setzte sich zu ihm auf den Boden, aber Benito behielt seine Hände auf seinem Gesicht und sah ihn nicht an. Der Kummer, die Gefühle prasselten wieder über ihn ein und er wusste nicht was er dagegen tun sollte, um es aufzuhalten.
Warme Arme schlossen sich um ihn und zogen ihn herüber, wobei Benito zur Seite sackte und seinen Kopf an Emilios Halsbeuge legte. Seine Hände rutschten von seinem Gesicht und er schlang sie stattdessen, um Emilio herum, um sie von hinten an seine Schultern zu legen, als müsste er sich an ihm festhalten, um nicht noch weiter zu fallen. Seine eigene Halsbeuge wurde von Emilios Tränen befeuchtet und so lagen sie beide weinend einander in den Armen, als hätte die Welt ihnen einfach eine gewaltige Ungerechtigkeit entgegen geworfen.
Benito schluchzte, während er sich an Emilio festhielt und sein Gesicht genau dort behielt. Er ließ selten Gefühle in Gegenwart von anderen heraus, er versuchte alles mit sich selbst auszumachen, doch diese Sache konnte er einfach nicht nur mit sich selbst ausmachen. Benito brauchte seinen besten Freund. Vor allem jetzt weil er wusste, dass er nichts getan hatte. Es war nicht leicht sich ihm derart zu öffnen, seine eigene Unsicherheit stand ihm dabei immer wieder im Weg, doch aufhalten konnte er es auch nicht.
Sachte nickte Benito bei Emilios Worten gegen seine Schulter. Es bedeutete ihm so unfassbar viel zu hören, was er da sagte. Noch immer weinte er, weil alles ungebremst aus ihm heraus brach und es ihm fast schon leid tat, dass er Emilio damit so überschüttete, doch auch er gab sich den Gefühlen hin. Es war ein schrecklicher Moment, aber das gute daran war, dass sie ihn zusammen durchmachten und er einfach da war.