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#11


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am 27.11.2018


Arians Stimme war wie ein Rauschen in Valerios Ohren und er verstand trotzdem jedes einzelne Wort. Viel zu klar. Sie waren wie klingen, erstaunlich präzise. Kleine Schnitte in die Lügen und Halbwahrheiten, die Valerio in den letzten Monaten erzählt hatte. Es hatte noch nie jemand - nicht einmal Valerio selbst - so klar und deutlich ausgesprochen und zusammen gefasst was in Valerios Leben passierte. Wer belügt hier wen? war eine Frage, die viel zu laut in Valerios Kopf wiederhallte. Er hasste Arian in diesem Moment dafür. Und auch Emilio - denn wer konnte ihm davon erzählt haben, wenn nicht Emilio? Sie hätten nur zusammen die Puzzleteile zusammen setzen können. Und sahen trotzdem immer noch nicht das gesamte Bild. Ein paar von Valerios Geheimnisse blieben tatsächlich geheim. Vielleicht hätte es etwas geändert, wenn auch die hässlichsten Dinge hier auf diesem Schulhof ans Licht gekommen wären. Aber es war wohl besser, dass es nicht so kam - denn schon das hier war eigentlich zu viel. Valerio konnte sich nicht einmal darüber freuen, dass offensichtlich nicht jeder kleine Winkel seiner Person bloßgestellt wurde. Viel zu erschütternd war der Verrat und viel zu schockierend war die Erkenntnis, dass nicht nur Arian Bescheid wusste, sondern so ziemlich alle, die ihnen zuhörten. Valerio fühle sich bloßgestellt, auch wenn er durchaus hoffte alle Aufmerksamkeit auf Arian lenken zu können. Auf Arian und Emilio. Selbst wenn allein der Gedanke bittere Galle in ihm aufsteigen ließ.

Sein Zeitgefühl musste irgendwie verschwunden sein, denn er hätte schwören können, dass diese Unterhaltung (dieser Streit) schon Ewigkeiten dauerte. Dass alles furchtbar langsam ging, obwohl sie sich in Wahrheit kaum die Zeit nahmen dem anderen zuzuhören. Arian hatte immer noch dieses Lächeln auf dem Gesicht, fast höhnisch. Das Rauschen der Worte wurde zu einer Art hohem Piepsen. Valerio war der Fehler. Und Emilios fucking Muttermal. Valerio hätte gerne noch einmal wiederholt, dass Arian ein Lügner war. Aber alles was er herausbrachte waren Beleidigungen - die hoffentlich trafen. Er wollte Arian nicht einmal mehr an sehen, geschweige denn noch irgendetwas von ihm hören. Ganz sicher nicht 'Dito!'. Valerio war sich ziemlich sicher, Arian noch nie mit so viel Gehässigkeit mit jemanden reden gehört zu haben.
Vermutlich war er der erste, der zuschlug. Es war im Nachhinein schwierig zu rekonstruieren (es gab ein paar verschwommene Videos von Umstehenden…), aber Valerio glaubte sich vage an die Zufriedenheit zu erinnern, weil er den ersten Schlag landete. Der Rest war wie ein Rausch - und keiner der guten Sorte. Valerio hielt nichts mehr zurück und Arian bekam vermutlich mehr ab, als er verdiente. Angestaute Wut aus Wochen und Monaten, während sie über den Boden kullerten wie Leute in Film.
Als endlich genügend Hände sich zusammenfanden um sie beide auseinander zu reißen, spürte Valerio den Schmerz zuerst nicht. Da war etwas warmes auf seinem Gesicht, an seinen Händen. Ein leichter Stich wenn er atmete. Nichts, das er nicht schon oft genug erlebt hatte. Vielleicht fing er deswegen einfach an zu lachen, während Arian noch hysterisch schrie. Er spürte, wie Leute sie anstarrten, aber Val konnte nicht aufhören. "Du bist schwach, Arian. Es ist verdammt einfach mir die Schuld zu geben. Aber in Wahrheit hast du noch nie irgendetwas alleine gekonnt.", denn Schmerz das der einen Person zu sagen, die er versprochen hatte nie alleine zu lassen, spürte er schon nicht mehr. Er war gestorben für Arian. Emilio hatte ihn verraten. Morgen würde die ganze Schule über diese Szene Bescheid wissen. Oder zumindest alle, die zählten. Valerio spürte sein sorgfältig zusammen gehaltenes Leben in sich zusammen stürzen. Er hatte keine Ahnung ob er es retten konnte oder wie. Er wusste nur, dass er selbst auf keinen Fall schwach sein durfte, egal wie unmöglich es sich gerade anfühlte auch nur aufrecht zu stehen.
Alles war immer noch im Aufruhr. Leute versuchten sie auseinander zu zerren, während sie sich immer noch anschrieen. Valerio hörte jemanden rufen ein Krankenwagen solle angefordert werden. Erst jetzt warf er einen ersten Blick zu den Leuten um ihnen herum. Handykameras. Geflüster.
Es war Zufall, dass die Arme die ihn hielten ihn in die Richtung zogen, in der Emilio stand. Der Cortés sah blass aus, wie erstarrt. Klar - immerhin war er aufgeflogen. Valerio registrierte kaum die Blicke, die ihre Mitschüler Emilio zuwarfen. Sein eigener war aus Eis, gewillt absolut nicht seiner Enttäuschung zu verraten. Während man ihn weiter Richtung Schulgebäude bugsierte oder eher halb trug, brachte Valerio sogar ein spöttisches Lächeln zu Emilio zu Stande. Das war alles, was er jemals für ihn hätte haben sollen. Das daraus mehr geworden war, war ihm wie ein Wunder erschienen. Aber Valerio wusste jetzt, dass es ein riesiger Fehler gewesen war. Immerhin gab es nur deswegen jetzt eine Welt, in der er für Arian nicht mehr existierte.
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#12


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am 27.11.2018


Arian fühlte die Tränen, die ihm die Wangen hinab liefen uns sich mit dem Blut vermischten, welches Valerio ihm aus dem Körper geprügelt hatte. Sie hatten sich beide nichts geschenkt und dennoch wünschte Arian sich, dass er ihn noch mehr verletzt hätte. Die Wut auf den Ibárurri war ins Unermessliche gestiegen und er wollte ihn leiden sehen. So leiden, wie Arian es in seiner Gegenwart schon oft getan hatte, weil er ihn zu Dingen überredet hatte, die er niemals hatte machen wollen. Er hatte doch nur Arian sein wollen und das hier war einfach… es war einfach eskaliert. Es war ihm aus den Händen geglitten, auf den Boden geknallt und in tausend Stücke zerbrochen. Ihre Freundschaft war zerbrochen. Arian schluchzte und wollte sich erneut losreißen, um auf Valerio loszugehen, doch da waren Arme, die ihn davon abhielten und zu beruhigen versuchten. Sein Körper schmerzte, sein Herz schmerzte und wenn er ehrlich war, so wollte er gerade eben nichts mehr fühlen. Er wollte die Taubheit zurück, die er vor einigen Wochen noch gepachtet hatte. Sie war verschwunden als Benito in sein Leben gekommen war und… Benito. Mit einem Mal erschrocken und panisch, weil er nicht wusste, ob er all das mitangehört hatte, sah Arian sich um. Vergessen war dieser Scheißkerl, der ihre Freundschaft gerade so leichtsinnig den Wölfen zum Fraß vorgeworfen hatte. Vergessen war das Blut, welches aus Nase, geplatzter Lippe und Platzwunder an der Stirn lief. Vergessen waren die vermutlich gebrochenen Fingerknöchel, die gerade eben nur noch nebensächlich schmerzten. “Benito“, sagte er leise und hörte damit auf sich befreien zu wollen. Panisch sah er sich um, doch er konnte niemanden sehen. Er war nicht hier. Gott, konnte es sein, dass er all das nicht mitbekommen hatte. Er musste zu ihm. Er musste ihm sagen, dass alles was an seine Ohren dringen würde, nicht der Wahrheit entsprach. So schnell es ihm nur möglich war.

‘Er ist vorhin gegangen‘, hörte er jemanden sagen, doch er wusste nicht von wo die Stimme kam. Alles was er wusste war, dass sein Herz stehen blieb und er ihn finden musste. Schnell riss er sich los und wischte sich mit dem blutigen Handrücken über seine Lippen, die nicht aufhören wollten zu tropfen. “Nein“, flüsterte er, als er sich durch die immer noch bestehende Menschentraube schälte und den gesamten Hof nach ihm absuchte. Zu viele Menschen, zu viele Gesichter, zu viel Panik. Arians panischer Blick suchte überall. Wo war sein Glück? Wo war er? Er musste zu ihm. Bitte, er musste zu ihm und wissen, dass alles in Ordnung war. Seine Atmung ging schnell und sein Blick verschwamm, doch er musste weitersuchen. Und dann endlich… in der Ferne machte er die Gestalt seines Freundes aus, die gerade den Schulhof verlassen wollte. So schnell seine schmerzenden Füße ihn tragen konnten, lief er los, um nach gefühlten Stunden endlich bei ihm aufzutauchen. “Benito, nein… bitte… bitte hör zu… Benito bitte“, keuchte er, als er vor ihn stolperte und ihn aufhielt. Er konnte den ausdruckslosen Blick erkennen und ihm wurde schlecht. “Nein, nein… nein, nein sieh mich nicht so an… bitte… ich… ich hab nicht… ich schwöre ich habe nicht.. nur du… ich will nur dich… bitte… er hat dich… er wollte mich provozieren und ich ihn… Ben, ich habe nicht… bitte… bitte hör mir zu“, er sprach schnell und nicht wirklich mit Sinn. Doch er hatte Angst. Panische Angst. Er kannte diesen Blick und er bedeutete nichts Gutes. Benito begann ihn aus seinem Leben zu löschen und das durfte nicht passieren, denn Benito war doch sein Glück. Seine Liebe. Der einzige Mensch, den er nun noch hatte.
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#13


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am 27.11.2018


Nachdem er sich von der Szene abgewandt hatte, ohne auch nur einen weiteren Blick auf einen der drei richtend, hatte Benito sein Handy aus der Tasche gezogen. Die Nummer des Chauffeurs war schnell herausgesucht, immerhin war es eine Nummer die er beinahe täglich anrief. Zwar war der Unterricht noch nicht vorbei, aber gerade war das für Benito Nebensache. Während hinter ihm Faustschläge und das Keuchen der Rauferei zu hören waren, legte Benito das Handy an sein Ohr. Er musste hier schnellstmöglich weg. Rückzug. Abstand. Es war ihm eigentlich egal, solange er keinem von ihnen mehr unter die Augen treten musste.
Zügig lief er über den Schulhof, fühlte sich dabei unwahrscheinlich leer und hatte nicht einmal mehr das Fassungsvermögen für die Gefühle, die eigentlich gerade über ihn einprasselten und die er allesamt einfach krampfhaft herunterschluckte, damit er nicht hier und jetzt auf dem Schulhof zusammenbrach. Er musste weg. Sofort. Seinem Chauffeur erzählte er, dass er sich während des Unterrichts übergeben hatte. Ehrlich gesagt fühlte Benito sich auch so, als würde ihm gleich sein Mageninhalt hochkommen. Seine Stimme hatte beim Telefonat ruhig und nüchtern geklungen, fast schon mechanisch. Eine Gegenfrage erfolgte nicht. Benito war zwar seit Tagen nicht mehr zu Hause gewesen, doch auch die Tatsache, dass er seinen Großeltern derzeit auswich, war gerade nebensächlich. Er wollte ohnehin nicht mit ihnen reden. Er wollte nur zurück in sein Zimmer. Die Safe Space, die dieser Raum immer gebildet hatte. Er wollte sich einschließen, wo ihn niemand sehen, nerven oder noch tiefer verletzten konnte.

Das Geschrei der beiden war schon längst verklungen, nachdem es erst leiser geworden war, als er sich entfernt hatte. Die polternden Schritte holten ihn jedoch ein, kurz bevor er den Rand des Schulhofs erreicht hatte. Als Arian sich an ihm vorbei schob und ihm damit den Weg blockierte, hätte Benito ihm am liebsten wirklich direkt vor die Füße gekotzt. Und sicher nicht als Ausdruck seiner Zuneigung, sondern um zu unterstreichen, wie sehr er ihn verabscheute. Doch die Wahrheit war, dass Benito ihm nicht einmal diese Genugtuung geben wollte. Nicht hier. Nicht sichtbar. Es war nur so schwer hier vor ihm seine verbliebenen Nerven und die Fassung zusammen zu klauben. Doch Benito schluckte es runter, den verletzten Stolz, die verletzten Gefühle und das verletzte Vertrauen, welches von allem den größten Schaden erlitten hatte. Seine Kiefer mahlten aufeinander und dann sah er ihm mit festem Blick an. Augen voller Gleichgültigkeit. Dabei schaffte es nicht einmal dieser zugerichtete Zustand, ihm auch nur einen Hauch Mitleid und Empathie zu entlocken.
„Erspar’s mir. Du hast wirklich schon genug gesagt“, knurrte er. Er wollte kein Wort mehr aus seinem Mund hören. Er wollte ihn nicht einmal mehr ansehen. Er ertrug diesen Anblick kaum. Arian hatte ihn verarscht. Auf die bösartigste Weise, die existierte. Das schlimmste daran war, dass er Benito wirklich hatte glauben lassen. Benito hatte Arian geglaubt.
Nun drängte er sich an Arian vorbei. Er hätte ihn mit der Schulter grob wegstoßen können, allerdings wollte Benito nicht einmal mehr diesen geringen Körperkontakt zu ihm aufbauen. Benito hasste Körperkontakt, er konnte Nähe kaum aushalten und gerade ertrug er am aller wenigstens Arians Nähe, die sich wie Gift anfühlte. Eine Droge, die er über Wochen eingenommen hatte und deren niederschmetternde Konsequenzen er erst jetzt zu spüren bekam. Er war so dumm gewesen.
Aus der Ferne konnte er bereits den Wagen seiner Familie sehen, als er an den Straßenrand trat. Ungeduldig wartete er bis er vor ihm zum Halten kam.
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#14


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am 27.11.2018


Arian hatte wirklich gedacht, dass er sich nicht noch schlimmer fühlen könnte als in diesem einen Augenblick. Sein Herz schmerzte, weil er gerade seinen ältesten und besten Freund, seinen Blutsbruder, verloren hatte. Seine Knochen fühlten sich wie Blei an und sein Gesicht glich vermutlich dem von Quasimodo. Er konnte fühlen, dass seine Nase angeknackst war und sein linkes Auge zu schwellen begann. Alles tat weh. Körperlich und seelisch. Und Arian dachte wirklich, dass er sich noch schlimmer fühlen konnte. Doch da hatte er die Rechnung ohne Benito gemacht, der ihn nun mit leerem und kühlem Blick ansah. Dieser Blick reichte aus, um Arians Herz aus seiner Brust zu reißen und es langsam zu zerbrechen. Da war keine Zuneigung mehr, die ihn ansah. Keine Liebe, die er in den letzten Tagen vermehrt in diesen schönen blauen Augen hatte lesen können. Da war Nichts. Nichts außer Verachtung und… Hass? Tränen stiegen in Arians Augen und gelangen direkt an die Freiheit, weil Benito Abstand zwischen sie brachte. Er durfte ihn nicht verlieren. Arian hatte bereits Valerio verloren, weil er Benito hatte schützen wollten. Er hatte ihn mit dieser dummen Lüge über Emilio schützen wollen und nicht vertreiben.

Arians gesamter Körper zitterte, weil er kaum noch Kraft hatte aufrecht zu stehen. Valerio hatte ihn ordentlich erwischt und er fühlte wie sein Kopf immer schlimmer zu dröhnen begann. “Benito, bitte… Nicht… Geh nicht“, schluchzte Arian, als der Andere auch schon einen kleinen Bogen um ihn machte und weiterging. Arian folgte ihm, dabei stolperte er beinahe über seine eigenen Beine. “Es stimmt nicht! Ich schwöre dir, es stimmt nicht“, brachte er viel zu leise über seine Lippen, weil er einfach keine Kraft mehr hatte. Ihm wurde immer schwindeliger, weil er vermutlich ein wenig zu viel Blut verlor. Aber es war ihm egal, denn er musste weitergehen. Hier ging es um den Menschen, den er über alles liebte und nicht verlieren wollte. Nicht konnte. Seine Hand griff nach Benitos Jacke, um ihn zurückzuhalten, aber auch dafür fehlte ihm die Kraft, weshalb Ben einfach weitergehen konnte. Arian schluchzte etwas lauter auf und ging weiter, doch letztlich war der Jüngere schneller. “Hör mir doch bitte zu“, bat er ihn lauter, allerdings hatte Ben kein Mitleid übrig und ging direkt auf den Wagen zu, der ihn nach Hause bringen würde. Just in der Sekunde, als Ben die Türe öffnete und einstieg, blieb Arian stehen und konnte fühlen wie sein Herz mit voller Wucht auf den Boden prallte und in tausend kleine Stücke zersprang. “Benito“, brachte er flüsternd über die Lippen. “Bitte nicht… ich kann nicht…“, seine von Tränen verschleierten Augen sahen zu wie der Wagen einfach losfuhr und Benito wegbrachte. Er war weg. Er hatte ihm nicht zugehört und all die Dinge geglaubt, die Arian als Lüge ausgesprochen hatte. “Ich liebe dich… bitte… ich kann nicht…“, sprach er heiser, als die Beine unter ihm nachgaben und er auf dem Boden landete. Auf seinem Hintern sitzend und die Hände an sein Gesicht bringend, schluchzte Arian laut auf. Es folgte ein herzzerreißender Schrei, der klar und deutlich zeigte, dass etwas in ihm gestorben war. Die Hoffnung darauf endlich glücklich und angekommen zu sein. Er war nicht angekommen, nein. Er war verloren. Er war alleine.
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