I like the way I can't keep my focus
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#11


I like the way I can't keep my focus
,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


Die Zeit begann aus den Fugen zu kippen, je mehr Emrys und sie den sicheren Hafen ihrer Anonymität verließen und sich auf unsicheren Terrain persönlicher Belange zu begeben. Ellis hatte keine Ahnung wieso sie ausgerechnet diese Fakten ausgepackt hatte, vermutlich war es purer Zufall gewesen, dass ausgerechnet diese Gedanken als erstes durch ihren schwummrigen Kopf gegangen waren. Vielleicht war es auch der Tatsache geschuldet, dass diese drei Dinge ihr Leben maßgeblich bestimmt hatten. Das Mysterium um ihren Vater war immerhin ein stetiger Begleiter, ebenso wie ihre Kinder, denen somit auch ein Teil ihrer Herkunft verwehrt geblieben war. Und die leise Sehnsucht danach Zeit mit Emrys verbringen zu können… wie sehr sie vorhanden gewesen war, wurde der Autorin erst jetzt klar, da sie es ausgesprochen hatte. Sie hatte ihre Tage darum geplant abends in den Pub gehen zu können, war manchmal nach ein paar Minuten gegangen, in denen sie ernüchternd hatte feststellen müssen, dass Emrys nicht da war. Dass er aus New York kam hatte sie die erste Zeit nicht gewusst, doch ihn nun hier in seinem natürlichen Habitat zu sehen… es passte. Sie hätte es sich früher denken können.
Als Emrys dann Dinge über sich selbst preisgab hielt Ellis den Atem an, ihr Blick hing an seinen Lippen, so versessen war sie darauf nicht eine einzige Silbe zu verpassen. „Seit 2001 schon“, wiederholte sie fast tonlos und überschlug gedanklich die Jahre, die er ohne Familie verbracht haben musste. Ihre Familie war Ellis stets heilig gewesen, zumindest bis zu dem Moment, in dem sie den Vater zweier ihrer Kinder hatte elendig verrecken lassen. Die Information über die gleich dreifache Verlobung mit derselben Dame strandete irgendwo in Ellis Kopf, fand aber noch keinen festen Grund um darin zu wachsen und ihr wirklich gewahr zu werden.
Stattdessen keimte mit jedem Atemzug ein anderer Wunsch in ihr auf, die Distanz zwischen ihnen fühlte sich an wie Folter. Vielleicht war es gar nicht verkehrt gewesen nichts übereinander zu wissen, keine Ahnung zu haben, mit wem man es da zu tun hatte. Nur so hatte sich scheinbar ergeben können, was beide empfanden - zumindest kam von Emrys kein merklicher Widerstand, als Ellis ankündigte ihn zu küssen. Stattdessen legte sich sein Arm um ihren Körper, ein Schauer lief über Ellis Rücken, breitete sich auf den Armen aus. Es fühlte sich so vertraut an ihn zu küssen, als wüsste sie nicht erst so wenige Dinge über ihn sondern kannte ihn schon sein Leben lang. Sein Duft, seine Haut unter ihrer freien Hand… so natürlich, dass es absurd war, dass dieser Moment so lange hatte auf sich warten lassen.
Nur ungern ließ sie ebenso von ihm ab, in der einen Hand noch immer der Becher mit Kakao, der längst keine Rolle mehr spielte. Emrys Stirn ruhte an ihrer, gut für sie, dass er nicht bedeutend größer war. Ellis hielt die Augen geschlossen, zu groß die Sorge, dass der Moment verfliegen könnte. Noch dazu nahm sie auch mit geschlossenen Augen alles wahr was wichtig war, ohne den direkten Körperkontakt zu ihm zu verlieren platzierte Ellis sanfte Küsse auf seinem Hals, seiner Wange. Ein irrsinniges, wahnwitziges Gefühl von Verliebtheit hatte sie ergriffen, eine verloren geglaubte Welt, hatte sie doch nicht gedacht, dass diese Emotion die Pubertät oder frühe Adoleszenz überschreiten würde. Doch hier war sie, bereits eine Oma und mit einem solchen Kribbeln im Bauch, dass sie kaum reden konnte.
Was sie mit ihm machte? „Das kommt ehrlich gesagt darauf an wie gelenkig du bist“, antwortete Ellis mit offensichtlich ausgeschaltetem Verstand auf die eindeutig anders gemeinte Frage Emrys. Ein leichtes Lachen entfuhr ihr, ehe sie sich ihm noch einmal entgegen reckte um sich einen weiteren Kuss von seinen Lippen zu stehlen. Heilige Scheiße hatte es ganz gut getroffen…

Es war schließlich doch Ellis die sich wieder von ihm löste und einen halben Schritt nach hinten machte, an ihrem Kakao nippte, dabei aber die Augen nicht von ihm ließ. Ihr Verstand hatte sich ausgeklinkt, wie ein pubertärer Junge stand ihr der Sinn nur noch danach Emrys nahe zu sein. Wie sollte man nach diesem Moment zurück zu unverfänglichem Geplänkel gehen? Ihre freie Hand griff nach seiner, sie zog ihn mit sich, ihr Oberarm eng an seinem, die Finger mit seinen verschränkt.
„Ehm…“ machte sie nach ein paar Schritten. „Drei Mal mit der gleichen Frau verlobt?“ Das wurde ihr erst jetzt ein wenig bewusst. Nicht, dass es ihr etwas ausmachte, wer war sie schon um das zu verurteilen? Es war nur… merkwürdig. Und es war nicht nur ihrem Job geschuldet, dass Ellis gern mehr über die Motivationen zu solchen skurrilen Gegebenheiten kannte. Aber dann wiederum, ehrlich gesagt… es spielte keine Rolle. Nicht die geringste. Sie verlangsamte ihren ohnehin schon nicht besonders schnellen Schritt und wandte sich ihm wieder zu. Ihre Finger strichen über die Knopfleiste seines scheißteuren Mantels, sie wollte ihm nahe sein, ihn überall an und um sich herum wissen. „Wohnst du weit von hier?“ Eine eindeutige Frage. Und Ellis machte keinen Hehl daraus, worauf sie hinaus wollte. Und nur falls es dahingehend doch Verständigungsprobleme gab blickte sie mit einem zusammen gekniffenen Auge an ihm vorbei und deutete auf eine blinkende Leuchtreklame, die durch die Baumwipfel hindurch schimmerte und auf den Laden aufmerksam machte, der sich hinter der Straße am Park befand. „Wann warst du das letzte Mal Kondome kaufen?“ Der Schelm trieb sich auf ihr Gesicht, sie zwinkerte ihm vielsagend entgegen. „Es sei denn du hast keine Lust“, mutmaßte sie und war über den eigenen Mut erstaunt, mit dem sie das Thema so schamlos anschnitt. „Oder wartet deine dreifach Verlobte bei dir zu Hause?“ Vermutlich nicht. „In dem Fall hätte ich ein schönes aber wenig beeindruckendes Hotelzimmer zur Verfügung.“ Ellis lachte erneut, dabei fiel es ihr so leicht darüber zu reden. Sie. Die seit beinahe 20 Jahren in Keuschheit lebte und gerade zum ersten Mal seit Ewigkeiten einen Mann geküsst hatte. Vielleicht rührte daher der plötzliche Drang nach mehr Nähe, nach Intimität. Oder daher, dass sie wusste, dass das ohnehin keinen Bestand haben konnte weil sie ein grausamer Mensch war, der anderen Leuten nicht zugemutet werden durfte. Schon gar nicht jemandem wie Emrys, dessen Hand sie wieder ergriff und sanft drückte, fast schon ermutigend. Wenn das hier ihr Abend werden würde, dann sollte er perfekt sein.
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RE: I like the way I can't keep my focus - von Ellison King - 27.07.2022, 21:01

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