I like the way I can't keep my focus
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#9


I like the way I can't keep my focus
,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


Die Leichtigkeit mit der er offen vor ihr über die Leichen im Keller sinnierte ließ nicht zu, dass das Schmunzeln erneut aus Ellis Gesicht verschwand. Welche Geheimnisse er wohl hütete, dass sie diesen Titel verdienten? Ob sie vergleichbar waren mit ihren? Hoffentlich nicht, aber dann wiederum… Ellis verlor sich so sehr in dem Gefühl, welches Emrys Präsenz mit sich brachte, dass sie eben genau jene Sorgen von sich geschoben hatte. Dass sie niemanden mehr in ihr Leben hatte lassen wollen, der sie in eine Situation brachte wie ihr Ex-Mann, jemand der ihr so gefährlich nahe kommen konnte, jemand der die allerschlechteste Seite an ihr herauf projiziert hatte. Doch ihre Unterhaltungen, ihr Miteinander, seine Blicke und sein Lachen, all das machte es so einfach zu vergessen, dass das hier eigentlich gar keine Option war. Gab sie sich hier nur einer Illusion hin? War es das?
Dabei war sie so nicht, sie war eine entschlossene Person, die keine Zeit ungenutzt verstreichen lassen wollte. Einmal abgesehen von den Abenden vor dem Kamin, die man sicher effektiver nutzen könnte indem sie arbeitete statt sich das Weinglas drei Mal zu füllen, aber langweilige Unterhaltungen oder Kontakte strich sie aus ihrem Leben, sie schätzte die Zeit anderer Leute zu sehr um ihnen jene zu rauben. Sie wusste sehr genau was das hier war - oder was es sein könnte. Wenn sie es denn wollten.
„Irgendwie kann ich mir dich nicht in einem Eiskrem Museum vorstellen“; gab sie ehrlich zurück und sah skeptisch zu ihm auf, auch wenn er nur wenige Zentimeter größer war als sie. Sie nippte an ihrem Kakao und strich sich mit dem Handrücken kurz über die Mundwinkel. „Sogar wir beide sind zu cool um ins Museum zu gehen, oder?“ Sie mochte Museen, keine Frage, noch dazu könnten sie miteinander wohl überall ihren Spaß haben. „Hast du da auch die… was war es noch, Platin-Karte?“ Wenn man sich frei durch Harvard bewegen durfte, dann war der Besuch im Eiskrem-Museum doch vermutlich mit dem Ausrollen des roten Teppichs verbunden.
„Rollschuhbahn klingt schon besser, beim nächsten Mal dann bitte unbedingt das.“ Auf Skates konnte sie sich ihn zwar auch absolut nicht vorstellen, aber ungeschickter anstellen als sie könnte er sich auch nicht. Gäbe auf jeden Fall etwas zu lachen.

Und doch konnte sie die Frage nicht aushalten, die ihnen wohl beide auf der Zunge lag. Wie immer wenn ihr etwas auf der Seele brannte gab es kein Halten, mehr als ein paar Minuten konnte sie ihre Klappe diesbezüglich dann ohnehin auch nicht halten. Dass Emrys darüber nicht irritiert war wertete sie als gutes Zeichen, sie richtete den Blick auf den Weg vor sich und lauschte seinen Worten aufmerksam, merkte, wie ihr Herz dabei immer schneller zu schlagen begann. Sie hatte nicht daran gezweifelt, dass sie ähnliche Ideen oder Wünsche hatten, doch es ausgesprochen zu hören war… etwas anderes, eine Versicherung, dass sie sich nicht zum Deppen machte.
Was sie dann aber mehr irritierte wusste sie nicht, dass er von der nächsten Stufe sprach oder die Tatsache, dass er Angst hatte. Der sich ändernde Tonfall war unüberhörbar und versetzte Ellis einen kleinen Stich, allein die Tatsache, dass sie ein solches Gefühl bei ihm auslösen konnte, schon jetzt, war… überwältigend.
Das Rauschen des Hudson Rivers wurde wieder lauter als der Parkweg sie wieder an die Ufer führte. Ellis blieb stehen, legte einen Ellbogen auf die Brüstung und sah kurz hinab in die reißenden Strömungen. Es war innerhalb der letzten halben Stunde merklich dunkler geworden, die kurzen Tage des Winters waren sonst eine solche Belastung gewesen und jeden Tag der Anlass, sich darüber zu beschweren, dass es schon dunkel war. Doch die nun aufflackernden Lichter in den Gebäuden um sie herum änderten das Bild, oder vielleicht war es auch der Mann, der da neben ihr stand und ihr gar nicht mal so sehr durch die Blume gesagt hatte, dass er ein Teil ihres Leben sein wollte.
„Ich hab auch schon ein Auto“, murmelte sie leise - als ob das jetzt der springende Punkt war! - und sah dann wieder zu ihm auf. Sie wollte alles von ihm wissen, jedes noch so kleine Detail. Welche Pralinen er in den Packungen übrig ließ, ob er erst die Milch oder erst die Cornflakes in seine Schüssel füllte, ob er ein Morgenmuffel war oder Frühaufsteher. „Nächste Stufe, he?“ Welche auch immer das war, sie hatte keinerlei Bedienungsanleitung zu diesem gut aussehenden Mann dazu gelegt bekommen. Vielleicht sollte sie es einfach wagen, denn sie kannte sich, es gab sie nur in 100%iger Ausführung, selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie Teile ihres Leben nicht verschweigen können. „Ich hab Kinder, drei Stück und sogar ein Enkelkind. Meine Tochter fand es war eine gute Idee noch in der High School schwanger zu werden“, faselte sie los und wandte sich ihm völlig zu, „ich kenne meinen Vater nicht und hatte immer nur Glück auf gute Schulen gekommen zu sein, ansonsten wäre aus mir sicher auch nichts geworden“, ging es schon weiter, warum es ausgerechnet diese Fakten waren die ihr in den Sinn kamen… keine Ahnung. „Und jedes Mal wenn ich in den Pub gegangen bin, war es in der Hoffnung dich zu sehen.“ Das war vielleicht etwas zu viel des Guten, aber es war die Wahrheit. Das Lächeln war nun nicht mehr von ihrem Gesicht zu bekommen, die Sorge, dass sie mehr als dümmlich grinste, ging ihr sonstwo vorbei.
„Ich küss dich jetzt, Emrys Harvard“, erklärte sie ihm dann, wartete eine Sekunde ab ob ein Einwand kam, dann reckte sie sich ihm entgegen und platzierte ihre Lippen auf den seinen. War das die nächste Stufe von der er gesprochen hatte?
Ellis Herz hämmerte so schnell gegen ihren Körper, dass ihr eine Ohnmacht drohte. Wie konnte sie nur, wie konnte sie diesen wahnsinnig guten Mann in das Elend ziehen, das ihr Leben war? Wohl einfach so, denn was vorher ein kribbelndes Gefühl von Aufregung und Vorfreude gewesen war, wandelte sich binnen weniger Sekunden in einen reißenden Wasserfall aus Emotionen. Kurz war ihr als wollte sie in Tränen ausbrechen weil sie sich so überfordert von alldem wiederfand. Dieses Gefühl… hatte sie zum letzten Mal in ihrer Studienzeit gespürt. Der Moment in dem sie sich in ihren ersten Ehemann verliebt hatte, eine längst gut wegsortierte Erinnerung, die nun wiederbelebt wurde in ein ganz anderes Setting. Wann auch immer so ein Kuss zu Ende sein sollte, gab es einen richtigen Moment hatte Ellis ihn großspurig vorbeiziehen lassen, denn so schnell wollte sie sich nicht wieder von ihm trennen. Zu groß war dann auch ihre Scheiß-Angst, dass sie das hier viel zu überstürzt gemacht hatte…
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RE: I like the way I can't keep my focus - von Ellison King - 07.07.2022, 12:47

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