I like the way I can't keep my focus
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#6


I like the way I can't keep my focus
,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


"Warum möchtest du denn mysteriös und undurchschaubar sein?" fragte Emrys schmunzelnd nach. Wirkte er auch so? Immerhin hielten sie sich beide bislang sehr bedeckt, was ihre privaten Bereiche betraf. Das machte ja irgendwie den Reiz aus, aber wie lange noch? Würden sie es irgendwann überdrüssig sein, so wenig übereinander zu wissen? Wobei dadurch ja durchaus keine Oberflächlichkeit entstand. Im Gegenteil, manchmal gingen sie sehr in die Tiefe, was vielleicht nicht in der Form geschehen würde, wenn sie mehr Persönliches übereinander erfuhren. Emrys ließ diesen Gedanken in seinem Kopf herumwandern und fragte sich, ob er so überhaupt Sinn ergab, ließ ihn aber erst einmal so stehen.
"Sagen wir einfach, ich schätze deine charismatische Trinkfestigkeit, wie klingt das?" fragte er, beide Eigenschaften vereinend. "Dein Charisma habe ich auf jeden Fall auf den ersten Blick erkannt, deine Trinkfestigkeit erst auf den zweiten Blick. Zum Glück war es nicht andersherum." Hätte man ihr ihre Trinkfestigkeit direkt angesehen, hätte das wohl eher für ein Alkohoproblem denn eine positive Eigenschaft gesprochen. Er beobachtete seinen Atem, der als kalte Nebelwolke vor seinem Gesicht schwebte, ehe er sich auflöste, und überging die Frage, wo er arbeitete. Er glaubte ohnehin nicht, dass sie darauf eine Antwort haben wollte. Worauf er aber eingehen konnte, war ihr Wunsch, ihn im Borat-Anzug zu sehen. "Der Anzug steht mir tatsächlich unverschämt gut. Ich sag dir was: Wenn du in einem kommst, dann mache ich das auch. Gleiches Recht für alle." Der Gedanke, wie sie bei eisigen Temperaturen in Borat-Badeanzügen durch den Schnee hüpften, war schon sehr lustig. Wobei sie dann vielleicht eher ein wärmeres Örtchen für ein Treffen finden sollten... Aber warum dachte er überhaupt über sowas nach? Als ob sie das wirklich machen würden. Doch Ellis hatte so etwas an sich, sie brachte ihn dazu, über Albernheiten nicht ernsthaft nachzudenken, aber sie sich auszumalen. Das gelang auch nicht jedem, Emrys war ja eher der pragmatische Typ und hing selten seinen Gedanken nach. Er mochte es, dass Ellis ihn immer wieder dazu brachte, neue Wege zu gehen - sei es gedanklich oder in seinem Handeln. Wann war er das letzte Mal auf einem Spielplatz gewesen?

Hatte Ellis gerade gesagt, die Schaukel würde nicht beißen? überlegte Emrys, als er sich abstieß und Schwung aufnahm. Es fühlte sich auf bizarre Weise vertraut und fremd zugleich an; als käme eine lange vergrabene Kindheitserinnerung hoch. Nun, so war es ja in gewisser Weise auch. Nicht, dass Emrys sich als exzessiven Schaukler in Erinnerung hatte, aber wie jedes Kind hatte auch er ab und na gerne geschaukelt. Das Kribbeln in seinen Eingeweiden war ungewohnt und überraschend. Ebenso wie Ellis nächste Worte. Sie checkte die Nachbarschaft auf ihre Kriminalitätsrate ab? "Hast du schon wieder eine Leiche im Kofferraum?" hakte er nach und zog eine Augenbraue hoch. War er am Ende gar nicht zum Schaukeln hergebeten worden, sondern um eine Leiche verschwinden zu lassen? Doch dann offenbarte sie ihm, dass sie hierher ziehen würde. Teilweise, was auch immer das bedeutete. Es reichte auf jeden Fall aus, um eine unbändige Freude in Emrys aufsteigen zu lassen, die ihn selbst total überraschte. Gleich hinter der Freude marschierte die Furcht in ihm heran. Wenn sie hier lebte - wenn auch teilweise - , wie lange würde es dauern, bis sie erfuhr, dass er ein Politiker war? Irgendwie fürchtete er, ihr Bild von ihm würde sich ändern, wenn sie das wusste. Würde sie ihn dann immer noch gern haben? Und wann, verdammt, war ihm so wichtig geworden, dass sie dies tat?

Als sie die Schaukel abbremste, hörte er auf mit den Beinen zu schaukeln, so dass er ebenfalls langsamer wurde - wenn auch nicht ganz so abrupt wie Ellis. Ihre Frage geisterte durch seinen Kopf und er nahm sich die Zeit, darüber genauer nachzudenken. „Unterhalten wir uns heute das erste Mal nüchtern?“ Hinter dieser einfachen Frage schien so viel mehr zu stecken als nur die einfache Frage an sich. Es fühlte sich an wie ein Wendepunkt in ihrer Beziehung. Bekanntschaft. Irgendwas dazwischen. Was es auch immer war. Emrys verspürte Angst, dass es sich zum Negativen entwickelte, dass es sich so veränderte, wie sie beide es vermutlich nicht wollten. Aber vielleicht war es an der Zeit, mutig zu sein.
"Nein, keine Cocktailbar. Ein Whiskey-Regal, aber das wird nur selten angerührt. Ich habe dir nichts voraus." Einen Augenblick lang sah er sie wortlos an, tauchte mit seinen Augen in ihre ein. Mutig sein. Einfach mutig sein. "Wie wäre es heute lieber mit einer heißen Schokolade?" fragte er und gab damit zu, heute nüchtern mit ihr bleiben zu wollen. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten. Sein Herz klopfte tatsächlich ziemlich laut, während er darauf wartete, was Ellis zu seinem Vorschlag sagte.
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RE: I like the way I can't keep my focus - von Emrys Westbrook - 04.07.2022, 14:34

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