Human beings let you down
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#5


Human beings let you down
,   Gast,   Gast
am 25.11.2020


Das Wissen über fremde Kulturen, Traditionen und Feiertage war nicht allzu weit verbreitet, soweit Benito jedenfalls beurteilen konnte. Durch Filme und Serien wusste man zwar über die bekanntesten Festlichkeiten, gerade aus dem amerikanischen oder auch dem allgemeinen europäischen Raum Bescheid, jedoch wurde das Wissen über die kleineren Feste deutlich schmaler. Mit ihrer Frage hatte Joyce auch noch direkt auf zwei Feiertage abgezielt, die für Amerikaner wahrscheinlich vollkommen nichtssagend waren. Deshalb schmunzelte der Spanier auch leicht. Er drehte die Bierflasche in der Hand und knibbelte an dem Label herum.
„Am 6. Dezember feiern wir den Verfassungstag. Nein, kein Nikolaus, sondern die Abschaffung der Diktatur“, erklärte er, nachdem er die Flasche wieder auf der Küchenzeile abstellte. Das war für die meisten vermutlich etwas schwer nachvollziehbar, wo gerade der 6. Dezember doch ein Datum war, welches einem wegen etwas anderem im Gedächtnis hing. „Am 8. Dezember wird in Spanien der Tag der unbefleckten Empfängnis gefeiert.“ Es war ein katholischer Feiertag, weshalb er nicht bei allen bekannt war und auch nicht überall gefeiert wurde. Seine Großmutter hatte jedoch immer großen Wert darauf gelegt. Diese zwei Feiertage, mit seinem Geburtstag genau dazwischen, hatten in seiner Familie immer dafür gesorgt, dass sie diese drei Tage praktisch am Stück feierten. Das hieß haufenweise Essen, Jubel, Beten, Geschenke, Verreisen. Ersteres und Letzteres war das was Benito immer am Besten daran gefallen hatte.

„Salute“, entgegnete er schmunzelnd und stieß mit ihr an. Dann führte er die Flasche an die Lippen und nahm einen Schluck davon. Er warf ebenfalls einen Blick auf die Flasche in seiner Hand, als er sie wieder absetzte. Es war gekühltes Budweiser. Benito war bis heute nicht unbedingt der Biertrinker, er gewöhnte sich noch immer daran und rutschte durch die Uni erst so langsam hinein. „Ja da gibt’s einige Sorten. Cruzcampo, Mahou, San Miguel … ich kann meinen Großeltern bescheid geben, dass sie etwas mitschicken sollen, wenn du es mal probieren willst“, schlug er Schultern zuckend vor. Allerdings kannte Benito sich mit den Geschmäckern nicht sonderlich gut aus, da er erst während seines letzten Schuljahres angefangen hatte wirklich zu trinken und zu dem Zeitpunkt hatte Bier für ihn von allen Marken gleich geschmeckt.
Mahnend schlug ihre Hand auf seine Finger, nachdem er die Tüte mit Naschzeug herausgezogen hatte. „He!“, protestierte er, als sie ihn beinahe zwischen den Fingerspitzen weg rutschte. Allerdings hielt er sie gerade noch fest, bevor sie wieder auf den anderen Einkäufen landete. „Bis das Essen fertig ist, dauert es sowieso noch ewig.“ Und da waren die Süßigkeiten auch schon aufgerissen. Benitos Magen knurrte und er hatte Lust auf Zucker. Nachdem er sich ein paar Weingummis in den Mund geschoben hatte, hielt er Joyce die Tüte ebenfalls hin.

Inzwischen hatte er angefangen sich einer Paprika zuzuwenden. Joyce sollte ihm einfach hinlegen und befehlen was und wie er etwas für sie schnibbeln sollte, dann würde das hier schon irgendwie funktionieren. Benito hatte keine Ahnung was alles in das Gericht gehörte, aber sonderlich schwer würde es schon nicht sein ein bisschen Gemüse zu schneiden. Nachdem Benito auch die übrig gebliebenen Kernchen von der Paprika gefummelt hatte, schnitt er sie in Streifen. „Wie klein brauchst du die? Oder ist das Beilage?“, fragte er sicherheitshalber nach, da er sie sich einfach aus der Tasche genommen und angefangen hatte. Dann schüttelte er hastig den Kopf. „Nein, nein kein Vorwurf, aber ich dachte Singles, die an Thanksgiving nichts vorhaben, würden sich Dates mit gutem Essen suchen. Gute Besserung übrigens an deine Familie.“ Hätte Joyce ihn nicht gefragt, ob sie vorbei kommen sollte, würde Benito nun an seinem Computer sitzen und zocken. Damit hatte er schon immer wunderbar Zeit tot schlagen können und war ansonsten auch sehr gut ohne Gesellschaft ausgekommen. Hier in Amerika war es nur insofern seltsam, weil nicht einmal seine Familie um ihn herumkreiste. Das war einerseits erlösend, andererseits irgendwie sehr still.
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Human beings let you down - von Benito Medina - 14.05.2021, 22:37
RE: Human beings let you down - von Joyce Avens - 15.05.2021, 19:39
RE: Human beings let you down - von Benito Medina - 20.05.2021, 08:10
RE: Human beings let you down - von Joyce Avens - 07.06.2021, 15:48
RE: Human beings let you down - von Benito Medina - 26.06.2021, 17:07

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