forgive and forget
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#2


forgive and forget
,   Gast,   Gast
am 14.12.2018


In seinem Zimmer war es ziemlich düster, da Benito die Vorhänge bereits zugezogen hatte, nachdem er nach der Schule sein Zimmer betreten und den Rucksack in eine Ecke gepfeffert hatte. Seit ein paar Stunden saß er bereits vor seinem Computer, die Hausaufgaben hatte er gar nicht erst angerührt und auch über die Woche hatte sich einiges angestaut, was er über das Wochenende dringend nacharbeiten musste. Nur war das Interesse daran nicht allzu groß. Es verschaffte nicht genug Ablenkung, um seine Gedanken nicht schweifen zu lassen und wenn er ehrlich war, setzten ihn die Hausaufgaben selten vor eine große Herausforderung. Daher ließ Benito sich lieber mit Videospielen beschallen. Die forderten seine kognitiven Fähigkeiten und sein Reaktionsvermögen. Erst hatte er an Witcher gesessen, aber das ewig durch die Landschaften reiten, hatte wieder dazu geführt, dass er nur nachgedacht hatte. Deshalb war er zu WoW übergegangen und meldete sich Dungeon um Dungeon als Tank oder Heal an, damit er auch bloß schnell eine Gruppe fand und gar nicht erst Wartezeit überbrücken musste. Neben ihm lag eine aufgerissene Tüte Chips und auf seinem Hoodie verteilten sich inzwischen ein paar Krümel und fettige Flecken, da er seine Finger immer wieder an dem Stoff abrieb, bevor er sie wieder an seine Maus oder die Tastatur legte.
Es funktionierte gut. Es funktionierte alles irgendwie gut. Und je öfter er sich das sagte, desto mehr glaubte Benito das auch. Die Tatsache, dass er seit über zwei Wochen nur noch mit finsterem Gesicht herum lief und es mit der Ordnung nicht mehr so genau nahm, ließ jedoch durchsickern, dass es doch nicht so gut funktionierte. Seine Großmutter hatte ihm inzwischen verboten weiterhin in seinem Zimmer seine Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Nicht nur, weil sich bis vor einer Woche das Geschirr in seinem Zimmer gestapelt hatte, sondern auch damit er diesen Raum mal verließ und am Familienleben teilnahm. Zu anderen Aktivitäten bewegte er sich ohnehin nicht mehr vor die Tür. Benito mied die Außenwelt, genauso wie er Menschen mied. Selbst seiner Gilde hatte er die letzten Tage immer abgesagt, wenn sie ihn für Raids angefragt hatte. Er hatte einfach keine Lust auf die Calls. Sein Handy nutzte er praktisch nur noch, um unter der Dusche Musik zu hören, denn Nachrichten ignorierte er, egal von wem sie kamen und manche Leute, die zu penetrant gewesen waren, hatte er sogar blockiert.

Alle im Haus wussten, dass er allein sein wollte und niemanden sehen. Dieser Wunsch wurde auch respektiert, auch wenn allmählich vorsichtige Fragen auftauchten, ob er nicht mal wieder rausgehen wollte, ob er mal wieder unter Leute gehen wollte, ob es ihm gut ging. Er ignorierte auch diese Fragen. Sie wurden überwiegend von Claudia, Andrea und seinem Großvater gestellt. Seine Großmutter stellte sie nicht und ließ ihn vor allem einfach machen, weil er ihr als einzige alles erzählt hatte und sie verstand, was los war. Und dafür war er ihr unendlich dankbar. Weil sie verstand. Von allen verstand sie es am Besten.
Trotzdem hatte irgendjemand unten im Haus seinen ausdrücklichen Wunsch ignoriert, denn als es an der Tür klopfte, erwartet er eine der Frauen, die seine Wäsche oder sonst etwas wollten und irgendeinen Vorsatz gefunden hatten, um nach ihm zu sehen. Nur war es keine der Frauen. Weder Claudia, noch Andrea. Benito hob den Blick erst verzögert, weil er gerade dabei war in den Hallen der Tapferkeit seine Gruppe mit der Aegis abzuschirmen. Skovald ging schließlich zu Boden und während Odyn sich für den Kampf bereit machte und seine Rede hielt, sah Benito zur Seite um schnaubend festzustellen, dass Emilio herein gekommen war. Er warf ihm einen abfälligen Blick zu, weil er es einfach nicht fassen konnte, dass er so dreist war in sein Haus, sogar in sein Zimmer zu kommen. Doch bevor er irgendetwas kommentieren konnte, ging der Kampf mit dem Endboss los und Benito kam seiner Arbeit als Tank nach. Er tippte auf der Tastatur herum, ignorierte Emilio geflissentlich und ließ sich Zeit damit am Ende den Loot aufzusammeln und am Ende noch ein paar Plattenstiefel an ein Gruppenmitglied zu handeln, weil er die nicht brauchte. Erst als er die Gruppe verlassen hatte, nahm er die großen Kopfhörer vom Kopf und wandte sich Emilio zu.
„Ich glaube, ich habe dich ausdrücklich genug ignoriert, um dir zu verstehen zu geben, dass du direkt wieder verschwinden kannst“, sagte Benito mit schneidender Stimme. Er würde nicht so eine Show wie damals Valerio und Arian auf dem Schulhof hinlegen. Er würde sich nicht mit Fäusten auf seinen besten Freund stürzen. Er wollte ihn schlicht und einfach aus seinem Leben löschen.
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forgive and forget - von Emilio Cortés - 30.05.2021, 14:42
RE: forgive and forget - von Benito Medina - 03.06.2021, 09:56
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