Love comes slow and it goes so fast
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#13


Love comes slow and it goes so fast
,   Gast,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Die Konkurrenz zwischen Yale und Harvard zog gewisse Parallelen zu einer Religion; Leute glaubten an etwas, das genau genommen nur in ihren Köpfen stattfand, wurden oft hinein geboren und verteidigten etwas, das viele Generationen vor ihnen entstanden war. Beide Konzepte waren für Christine fremd, wie es Emrys mit der Religion hielt wusste die Lowell nicht, das hier waren definitiv auch weder Ort noch Zeit für die ultimative Gretchenfrage. Der Bandenkrieg der Hochschulelite schien zumindest auch für Emrys kein Thema zu sein, vielleicht war diese Angelegenheit nach außen hin ja doch größer gemacht als sie schulintern war? „Um ehrlich zu sein rührt mein gesamtes Fachwissen dazu aus Gilmore Girls.“ Nun, dass er sich das angeguckt hatte… wie wahrscheinlich war das? Aus einem unbestimmten Impuls zeichnete sich das Bild von einem Emrys Westbrook im Pyjama vor dem TV in Christines Vorstellung ab, Lorelei Gilmore auf 1,5 Quadratmetern Plasmabildschirm, zehntausend Silben pro Minute. Ehrlich gesagt, da sah sie ihn. „Welche ist deine Lieblingsfolge?“, hakte sie mutig nach in der direkten Annahme, dass er die Serie geschaut hatte. Sollte ohnehin ein Zugangskriterium für jeden Menschen sein, der dem amerikanischen Volk uneingeschränkt dienen wollte. Und aus einem weiteren Grund den sie nicht kannte hatte sich Emrys dieser Aufgabe ja offensichtlich verschrieben.
„Du bist niedlich-süß. Zumindest zu mir.“ Sie sah ihn über die Distanz hinweg schmunzelnd an, war sich gleichzeitig sicher, dass er auch ganz anders konnte wenn es darauf ankam. Vermutlich konnte er seine politischen Gegner an der emotionalen Sollbruchstelle treffen und zerstören, wenn er denn wollte. Würde mit ihr hier heute hoffentlich nicht passieren. „Aber herb-kühl gefällt mir auch, die Mischung machts. Im Bett aber eher herb.“ Nein wirklich, jedem das Seine, aber sie fühlte sich in den wenigsten Fällen davon angetan, wenn jemand alle zwei Minuten fragte ob ihr gefiel was er tat, ob alles okay war mit ihr, statt der gegenseitigen Chemie und den Instinkten zu trauen, dass jeder auf seine Kosten kam. Das war eines der wenigen Argumente, das für ihren nicht-mehr-Mann gesprochen hatte, aber da nahm die Pro-Liste auch schon eine gewaltige Änderung Richtung Abgrund vor.

Mit der fertig angerührten Gesichtsmaske trat Christine wieder auf Emrys zu und begann diese aufzutragen, auch wenn sich da schon im Vorfeld etwas in Emrys geregt hatte. Oder war es nur der Champagner? Den hatte er ja in Rekordzeit geleert, das würde er, da war sie sich sicher, noch ziemlich bereuen. Spätestens wenn die Aspirin am Folgetag auch nicht anschlagen würden.
Und irgendwie konnte sich Christine der Vermutung nicht verwehren, dass Emrys sich in gar keiner so unähnlichen Situation befand wie die Blonde selbst. Konzentriert trug sie die Maske auf, musste lachen, als Emrys die Kälte bemängelte. „Nur im ersten Moment. Vertrau mir, das ist gut gegen Schwellungen. Noch hast du keine, spätestens morgen, weil du von dem ganzen Champagner eine schreckliche Nacht haben wirst.“ Hoffentlich keine sich selbst erfüllende Prophezeiung, aber eine mit Erfahrungswerten.
Sie hatte erwartet, dass er ihrer Nachfrage direkt ausweichen würde. Vielleicht sogar, dass er sie in die Schranken verwies, weil Diskretion für ihn unausweichlich war. Je mehr er über sich erzählte, umso größer die Chance, dass jemand das Wissen erlangte und gegen ihn verwendete. Dass er das nicht tat sprach entweder für sie oder seinen Pegel, vielleicht eine Kombination aus beidem.
Seine Worte trafen sie auf einem persönlichen Level, sie richtete sich auf ihrem Hocker etwas auf und ließ ihre Utensilien kurz sinken. Mit einem mitfühlenden Blick sah sie Emrys an, der mit der halben Maske ein wenig aussah wie das Phantom der Oper. „Sag du es mir“, antwortete sie leise, während ihre Gedanken einen Abstecher tausende Meilen weiter machten, einmal auf das europäische Festland, wo alles so chic, so baguette war, auf jeden Fall so viel besser als sie es jemals gewesen war, denn ansonsten wäre er ja nicht dort geblieben sondern zu ihr zurück gekommen. „Champagner scheint mir ein guter Start.“ Es folgte ein schweres Seufzen, dann Stillschweigen, weil sie absolut keine Ahnung hatte. „Was ist passiert?“, hakte sie stattdessen nach und trug die Maske schließlich weiter auf, sonst hätte er nachher nur zu 50% eine strahlendere Haut, wie bescheuert würde das wohl aussehen? „War es die eine Person?“ Er würde hoffentlich wissen was sie meinte, diese eine Person eben, die einem mit dem bloßen Auftauchen das Lächeln auf die Lippen zauberte, die einen mit dem blödesten Dingen zum Lachen brachte und die genau wusste, was man gerade dachte oder brauchte, ohne, dass Worte nötig waren. Jemand der dafür sorgte, dass es sich anfühlte, als würde man die Sonne von allen Seiten spüren eben.
„Wenn es die überhaupt gibt“, folgte dann aber eine eher nüchterne, vom eigenen gebrochenen Herzen ausgehende Reaktion. Christine fuhr mit den Fingerspitzen an den empfindlicheren Stellen in seinem Gesicht entlang um die Maske besser verteilen zu können. „Ich weiß nicht ob es schön oder grausam wäre, wenn kein Mensch sowas in einem auslösen könnte.“
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