18.03.2024, 19:30 - Wörter:
Love comes slow and it goes so fast
, Gast, Emrys Westbrook
am 08.03.2021
am 08.03.2021
Sie hätte ihn eher für einen Yale-Typen gehalten? Emrys wusste nicht so genau, was er davon halten sollte. Er hatte sich immer ohne jeden Zweifel für einen Harvard-Typen gehalten. Was machte da eigentlich den Unterschied aus, außer dem Stempel auf der Urkunde? Angesehen waren sie beide gleichermaßen. "Für mich war immer klar, Jura - Harvard." Er rümpfte die Nase. "Was ist der Unterschied zwischen einem Yaley und einem Harvardianer?" Nannte man die Harvard-Studierenden eigentlich so? Nein, oder? Egal, der richtige Name fiel ihm gerade nicht ein, und im Grunde genommen spielte es keine Rolle. Eigentlich spielte gar nichts eine Rolle. Ellis war nicht da, das spielte eine Rolle, aber es ließ sich nicht ändern, also war es irgendwie auch wieder egal. Er konnte nichts tun. Außer zu warten und zu hoffen, dass dieser fucking Schmerz irgendwann endlich mal nachließ. Aber ob das jemals passieren würde, wagte Emrys mittlerweile anzuzweifeln. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, sich abzulenken und weiterzumachen, aber nichts schien so richtig zu fruchten, und das frustrierte und nervte ihn. Warum konnte er nicht loslassen, was er nicht haben konnte? Es gab doch keine Alternative. Er konnte sie ja schlecht gegen ihren Willen entführen und in seiner Wohnung festhalten, sie zu zwingen, mit ihm zusammenzusein. So funktionierte das nicht, und so wollte er das nicht. Verdammt, wenn sie ihn nicht wollte, dann wollte er sie auch nicht wollen. Sein Verstand und er, sie waren sich da komplett einig, warum stellte sich das Herz denn dann so quer? Was sollte das? Das war nicht fair.
Wetter App? UV Wert 3? Emrys nickte brav und versuchte, sich diese Information abzuspeichern. Nicht, dass er sonderlich viel Zeit in der Sonne verbrachte; dazu beschäftigte er sich gerade viel zu sehr. Und bis gerade hatte er auch irgendwie geglaubt, eine recht gute Haut zu haben; aber Christine sah anscheinend Handlungsbedarf. Na gut, es würde ihn ja nicht umbringen, sich hin und wieder eine Creme ins Gesicht zu klatschen.
"Du findest mich niedlich-süß?" fragte er ein wenig entgeistert und versuchte, diese Information einzuordnen. Sicherlich meinte sie das nicht so, wie es in seinen Ohren zunächst geklungen hatte; immerhin war der Altersunterschied zwischen ihnen groß genug, dass er ihr Vater sein könnte. Ein sehr junger Vater, aber theoretisch möglich. Einen so alten Sack wie ihn fand sie bestimmt nicht auf diese Weise niedlich-süß. Vermutlich meinte sie, dass diese Duftrichtung zu ihm passte, aber ob ihm das gefiel? Da war er sich nicht so sicher. "Ich hatte mich eher in die Rubrik herb-kühl eingeordnet... oder so." Gab es so eine Richtung überhaupt? Er hatte keine Ahnung. Aber er hatte auch keine Gelegenheit, sich groß darüber Gedanken zu machen, denn Christine fing emsig an, irgendwelche Zutaten zusammenzurühren. Er sah Joghurt und Honig... und eine Avocado. Sah er so hungrig aus? Meinte sie, er müsse etwas Essen, um den Alkohol aufzusaugen? Aber das wollte er so ganz und gar nicht. Ihm gefiel, dass sein Kopf langsam leicht wurde, als würde er ihn Schritt für Schritt mit Helium füllen. Champagner-Helium. Helium mit Champagnergeschmack. Hey, das war eine Marktlücke, oder nicht? Er musste Fred morgen direkt mal darauf ansetzen, das zu prüfen. Der gute Fred. Was er wohl gerade so machte? Mit Sicherheit keinen Alkohol trinken. Ob der arme Kerl überhaupt jemals Spaß hatte? Fraglich. Was hatte Fred eigentlich für Hobbies? Emrys nahm sich vor, seinem Stabschef diese Frage zu stellen, sobald sich ihm die Gelegenheit bot.
Wie war er da jetzt nochmal drauf gekommen?
Christine gab irgendwelches Grünzeug in das Essen, und ein angenehmer Duft breitete sich im Raum aus, der in irgendwie an Ellis erinnerte. Ellis auf einer Blumenwiese. Er sah sie förmlich vor sich, wie sie zwischen den langen Gras- und Blütenstengeln herumtanzte...
Oh man. Der Alkohol setzte ihm Bilder in den Kopf, die seine Sehnsucht nur noch vergrößerten. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sich den Champagner so reinzukloppen, aber jetzt war es eigentlich auch egal und es gab nur noch einen Weg: nach vorne. Also noch mehr Alkohohol. Kaum hatte Christine sein Glas aufgefüllt, nippte er auch schon daran. Das Zeug schmeckte aber auch nicht besser, je mehr man davon trank...
Als Christine ihn nun fragte, was er meinte, erstarrte er. Hatte er etwa gerade laut gesprochen? Mist. Er stellte die Tasse wieder auf dem kleinen Tischchen neben sich ab; er brauchte einen klaren Kopf, um sich herauszureden. Nicht, dass er Chrisine nicht vertraute, er hatte nur keine Lust, über das tanzende Blumenmädchen zu sprechen. Verdammt, er konnte nicht mehr denken; der Alkohol legte jeglichen Versuch dahingehend umgehend lahm. Was könnte er gemeint haben? Was hatte er überhaupt genau gesagt? Warum hörte er sich selbst beim Reden denn nicht zu?? Anfängerfehler.
Christine kam ihm mit dem Essensschüsselchen nahe, und für einen Moment hoffte er, sie habe ihre Frage einfach vergessen. Oder ließ das Thema fallen, in der Annahme, dass er nicht darüber sprechen wollte. Was ja auch korrekt war. Na ja, wenn sie nochmal nachfragte, schob er es auf den Alkohol oder...
Er vergaß den Gedanken, als Christine begann, ihm das Essen ins Gesicht zu schmieren. "Das ist kalt!" stellte er fest. War seine Zunge so schwer, wie sie sich anfühlte? Sprach er noch deutlich? Doch, ja. So viel hatte er nun ja noch nicht getrunken, das bisschen Helium - äh, Champagner... Er schloß kurz die Augen, versuchte zu genießen, was sie da tat, sah dann aber Ellis vor sich, die ihn dafür aufzog, wie er mit der Maske aussah, und öffnete die Augen wieder. Christine sagte leise seinen Namen, und Emrys wappnete sich, um etwaige Nachfragen abzuschmettern.
Aber so direkt, wie Christine nachfragte, ob er Liebeskummer hatte, war es ihm unmöglich, auszuweichen - schon allein, weil ihm der Schmerz bei dieser Frage sowieso direkt in den Augen geschrieben stand. Und ganz ehrlich, wozu auch? Christine würde niemandem etwas sagen. Und vielleicht tat es gut, mit jemandem zu sprechen; das war so ziemlich das Einzige, was er in den letzten Wochen noch nicht versucht hatte. Sie war immerhin eine Frau, vielleicht konnte sie ihm eine neue Perspektive eröffnen. Er seufzte tief. "Liebeskummer ist noch eine Untertreibung", antwortete er also matt. "Christine, wie hört man auf, jemanden zu lieben, der einen nicht will?"