10.03.2024, 11:16 - Wörter:
Love comes slow and it goes so fast
, Gast, Emrys Westbrook
am 08.03.2021
am 08.03.2021
Wahrscheinlich schätzte Christine es nicht sonderlich, die kleine Lowell genannt zu werden, und Emrys hätte die worte gern zurückgenommen, sobald sie raus waren. Dass sie die kleine Lowell gewesen war, das lag ja nun wirklich schon einige Jahre zurück. Und wer mochte schon in eine Schublade gesteckt werden, in die man bereits seit längererm nicht mehr hineinpasste? Emrys nahm sich vor, dass dies das letzte Mal gewesen war, dass er sie so ansprach. Ja, er stand aktuell etwas neben sich, das mochte ihm angerechnet werden, doch ein bisschen Mühe konnte er sich ja trotzdem geben. Zum Glück nahm Christine ihm seinen Faux pas nicht übel, und so hakte er das Thema erst einmal innerlich ab und gelobte Besserung.
Erleichterung durchflutete ihn, dass sie ihm sofort zur Seite stand, noch bevor sie wusste worum - beziehungsweise um wen - es ging. "Siehst du gleich", murmelte er, denn Violet scharwenzelte in der Nähe herum und ließ ihn nicht aus den Augen. Sie sah ihn nicht die ganze Zeit an, das nicht, aber Emrys wusste, sie hatte ihn auf dem Radar, egal wohin sie schaute. Gruselig.
"Die Gästeliste ist gar nicht mal so schlecht", verteidigte er sich dann. "Man könnte wohl eher sagen... Es liegt nicht an ihnen, es liegt an mir." Er schnitt eine kleine Grimasse, bevor sich sein Gesicht direkt wieder neutralisierte. Bloß hier niemanden Gesprächsstoff liefern. Er konnte es nicht brauchen, dass nach diesem Abend darüber spekuliert wurde, warum er unglücklich aussah. Wenn das dann jemand der Presse erzählte und diese in der Wunde bohrten, die auch so schon kaum zu ertragen war... Er wusste nicht, wie er dann reagieren würde. Aber seinem Wahlkampf würde seine Reaktion mit Sicherheit nicht zuträglich sein, und die Planungen für die heiße Phase, die im Herbst begann, waren bereits sorgfältigst abgeschlossen. Wenn er da jetzt etwas torpedierte, bekam er Ärger mit seinem Stab. Und dieser hatte zu hart an der Wahlkampfstrategie gearbeitet.
Manchmal war es wirklich anstrengend, immer diese große Verantwortung zu tragen. Sein Stab war auf ihn angewiesen. Ohne ihn waren sie alle mit einem Schlag arbeitslos. Und meist genoss Emrys seine Position sowie die Verantwortung und die Macht, die damit einherging. Aber aktuell, wo der Kummer seine Schultern schwer niederdrückte, war es unglaublich schwierig, die arbeitsbezogene Verantwortung auf ebendiesen Schultern zu tragen.
Christine gab seine Worte an ihn zurück, und auch sie sah dabei nicht gerade glücklich aus. Na, da hatten sich ja zwei gefunden! Es tat Emrys leid, dass es ihr nicht viel besser zu gehen schien als ihm. Aber vielleicht gelang es ihnen, sich gegenseitig etwas aufzufangen, zumindest für den heutigen Abend. Christine, er und ein bisschen Alkohol - das hörte sich doch nach einer idealen Mischung für den heutigen Abend an! Während sie den Grund dafür erblickte, warum er gerettet werden musste, trat er neben ihr an die Bar und bestellte sich einen Belvedere on the Rocks. Der Vodka kostete 450 Dollar die Flasche, aber Elizabeth Lowell hatte an nichts gespart. Dabei ging es Emrys gar nicht darum, das teuerste Getränk auszuwählen; der Grund für seine Wahl war schlichter Pragmatismus. Vodka roch man nicht im Atem, da konnte später niemand der Presse erzählen, er hätte nach Alkohol gestunken wie ein besoffener Iltis. Mit einem Dank auf den Lippen nahm er das Glas entgegen, dass der Barkeeper ihm kurz darauf über die Theke reichte. "Sie ist heute leider ziemlich hartnäckig", raunte er in Bezug auf Violet, die Christine nun mit giftigen Blicken bedachte. Fast meinte Emrys, sie zischen zu hören wie eine Schlange. Herrje, die Frau hatte aber auch eine erschreckend lange Leitung, doch immerhin schien sie nun abzudrehen. Wobei der Blick, den sie ihm noch einmal zuwarf, ihn erahnen ließ, dass er noch nicht vom Haken war.
Da kam es ihm doch ganz gelegen, dass Christine vorschlug, in den Spabereich zu verschwinden. "Sehr gern", lächelte er sie an und bedeutete ihr, vorzugehen, wobei er dicht hinter ihr blieb. Sie war sein Schutzschild gegen Violet, er würde also dafür sorgen, sich für den Rest des Abends nicht mehr allzu weit von ihr zu entfernen. "Ihr habt ihn kürzlich renovieren lassen, habe ich das richtig in Erinnerung? Mir ist, als hätte ich in der Zeitung von einem sündhaft teuren, marmornen Whirlpool mit Powerdüsen gehört. Den würde ich zu gerne sehen." Eigentlich schade, dass sie ihn nicht auch ausprobieren konnten, aber das würde ihrer beider Frisuren ruinieren und Christine sicherlich Ärger mit ihrer Mutter einbringen. Aber anschauen konnten sie ihn ja mal, vielleicht buchte Emrys sich demnächst mal für eine Nacht hier ein und genoss dann den Spa Bereich. Es könnte ihm gut tun.
Kaum waren sie auf den Flur getreten, wurde es ruhiger. Emrys wurde erst jetzt klar, wie laut es im Saal eigentlich gewesen war. Er erlaubte sich, sich etwas zu entspannen, behielt den neutralen Gesichtsausdruck aber sicherheitshalber noch bei. Immerhin konnte ihnen ja noch jemand entgegenkommen, man wusste nie, wo man jemandem begegnete. Je näher sie dem Spa Bereich kamen, um so weniger schien allerdings um sie herum los zu sein, und der Bereich selbst lag gänzlich in der Dunkelheit des Abends. Während Christine ihnen Zutritt verschaffte, leerte er sein halbes Glas. Der Alkohol brannte angenehm in seiner Kehle und betäubte den Schmerz für einen kleinen Augenblick. Emrys betrat hinter Christine den Spa Bereich und ließ seinen Blick schweifen. Alles wirkte teuer und edel, wie erwartet. Die Atmosphäre war aber wirklich gelungen, Emrys fühlte sich sofort entspannter. Ob das wirklich so gut war, würde sich noch zeigen, denn er spürte, wie seine Fassade bröckelte und ihm die Neutralität vom Gesicht rutschte wie eine schlecht sitzende Maske. Hinter dem Empfang entdeckte er einen kleinen Kühlschrank und steuerte zielstrebig darauf zu. Bingo! Er holte eine Flasche Champagner hervor und hielt sie in die Höhe. "Kann der Spa Bereich die entbehren?" fragte er und leerte sein Glas. Die Eiswürfel, die noch gar keine Zeit gehabt hatten zu schmelzen, klirrten leise, während das Brennen erneut eine kurzzeitige Linderung für sein zerfetztes Herz brachte.