Love comes slow and it goes so fast
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#2


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Emrys' Leben war unterteilt in nicht so gute und schlechte Tage. Heute war ein schlechter Tag. Im Grunde hätte er sich entschuldigen und gar nicht herkommen sollen, doch die Alternative wäre gewesen, zuhause auf dem Bett zu liegen und die Ellis-Playlist in Endlosschleife zu laufen zu haben, was unweigerlich dazu führte, dass er sich zunehmend schlechter und schlechter fühlte und irgendwann anfing, seine Möbel zu zerlegen. Er hatte sich nie für einen aggressiven Menschen gehalten, aber wenn der Schmerz ihm die Fähigkeit zu atmen zu rauben versuchte, erwachte der Hulk in ihm. Gestern hatte er die Couch mit dem schicken Küchenmesser traktiert, das eigentlich für das Filletieren vorgesehen war. Aber es war so schön scharf, und das ratschende Geräusch, als der Stoff unter seinen Händen zerriss, hatte ihm eine gewisse Genugtuung verschafft und den Schmerz ein wenig in den Hintergrund rücken lassen. Klar, er hätte sich auch einfach einen Fidget Spinner kaufen können, aber so war der Spaß doch ungleich größer gewesen. Der Schaden zwar auch, aber die Couch war ersetzbar. So, wie er Fred kannte, der aktuell regelmäßig nach ihm sah, obwohl er sonst nie bei ihm zuhause auftauchte, war er bereits dabei, die Couch zu ersetzen. Der arme Kerl versuchte Emrys einigermaßen beisammenzuhalten und durch den langsam anlaufenden Wahlkampf zu bringen, aber hoffentlich war Fred klar, dass das eine Mammutaufgabe sein würde. Die meiste Zeit gelang es dem aufstrebenden Politiker, sich irgendwie am Riemen zu reißen; aber die Tatsache, dass er Ellis vermisste und diese Vermissung sich wie ein Loch aus Feuer in seine Brust brannte, war eben nur bedingt zu überspielen. Emrys wusste, er musste funktionieren, und er gab wirklich alles, um den Schmerz abzudrängen und wegzusperren - aber das Biest war so hartnäckig wie ein dreiköpfiger Höllenhund.

Auf jeden Fall war es Emrys letztendlich doch als kleineres Übel erschienen, das Haus zu verlassen, um Elizabeth Lowells Geburtstag zu feiern. Die Lowells kannte er seit vielen durch Charles, der ja ebenfalls in der Hotelbranche tätig gewesen war. Emrys wuste noch, dass Charles sich immer darüber amüsiert hatte, in welchem Clinch die Lowells und die Hemmingways mit ihren konkurrierenden Hotels waren, und war froh gewesen, von außen auf dieses teilweise explosive Spektakel blicken zu können. Emrys selbst mochte sowohl die Lowells als auch die Hemmingways und hielt sich, wie sein 'Vater', aus den Streitigkeiten heraus. Aber er ging davon aus, dass heute kein Hemmingway zugegen sein würde, auch wenn es sich in diesen Kreisen gehörte, die Zähne zusammenzubeißen und den Erzfeind trotzdem einzuladen. Gewisse Leute musste man zu gewissen Festivitäten einladen, das wusste Emrys selbst nur zu gut. Aber zumindest den Hemmingway-Hühnen, den Anwärter auf den Familienhotelthron, hatte er noch nicht entdeckt. Gut so, der Typ jagte ihm irgendwie Angst ein.
Wie es das Schicksal so wollte, fiel es ihm überhaupt schwer, ein sympathisches Gesicht zu erblicken. Er hielt Smalltalk, berichtete über den Wahlkampf und ließ sich mit gleichmütiger Miene und joval-nichtssagenden Antworten für politische Entscheidungen kritisieren, die nicht mal im entferntesten in seinem Handlungsbereich lagen. Meinten die Leute wirklich, als Politiker habe man auf allen politischen Ebenen Einfluss? Als wäre man ein kleiner Laden, wo jeder mit jedem dicke war und man mal über den kurzen Dienstweg die Kritik, die man so beiläufig im Vorbeigehen zugesteckt bekam, an die richtige Stelle weiterleiten? Nun ja. An und für sich liebte Emrys eine gute Diskussion, aber heute fiel es ihm unendlich schwer, auch etwas in dieser Richtung einzulassen. Niemals würde er es zugeben, aber sein Akku war ungefähr bei Minus zehn Prozent. Er war erschöpft. Emotional ausgebrannt, nur tote Weide war übrig.

Emrys war erleichtert, als endlich die Reden einsetzten. Sie waren zwar nicht der spannendste Teil des Abends, aber es verschaffte ihm eine kleine Auszeit von der verwitweten Mrs Violet deWitt-Bronston, eine durchaus attraktive Frau Anfang vierzig, die es anscheinend auf ihn als ihren nächten potentiellen Ehemann abgesehen hatte. Ihre Flirterei war mehr als offensichtlich, ständig tauchte sie neben ihm auf. Und obwohl er durchaus eine gewisse Sympathie für sie hegte, war er auf der Ebene, die ihr offenkundig im Sinn stand, einfach nicht verfügbar. Genaugenommen existierte diese Ebene gerade nicht, sie war in die Luft gesprengt worden von einer geheimnisvollen, unglaublich lustigen Autorin, die ihn aus ihrem Leben verbannt und ihm damit das Herz gebrochen hatte. Zudem war Violet eine dieser Frauen, die so schmal waren, dass er ihr am Liebsten einen Bucket fettiger, panierter Hähnchenflügel in die Hände gedrückt hätte, damit etwas auf ihre schmalen Rippen kam, die man dank ihres rückenfreien Kleides gut erkennen konnte. Das war auf keinen Fall schön, und gesund doch sicher auch nicht?!
Das falsche Lächeln, dass Emrys sich, sobald die Reden vorbei waren, wieder ins Gesicht pflasterte, als ihn direkt wieder jemand ansprach um mit ihm über die Situation im Nahen Osten zu fachsimpeln, ließ so langsam seine Gesichtsmuskeln schmerzen. immer Lächeln, immer nett sein, nicht anmerken lassen, wie es in ihm aussah. Dass das Lächeln seine Augen nie erreichte, spielte für die High Society keine Rolle. So genau sah hier niemand hin. Emrys entzog sich dem Gespräch mit dem gelächelten - autsch - Hinweis, dass Außenpolitik aktuell nicht sein Bereich war, und war froh, für einen Moment einen ruhigen Platz an einem Stehtisch gefunden zu haben. Einfach mal kurz durchatm.... oh, nein. Violet war schon wieder im Anmarsch. er würde schreien, wenn sie sich noch einmal auf diese unangenehme Weise an ihn drückte und ihm dieses falsche, vermeintlich verführerische, in Wirklichkeit aber unangenehm schrille, Lachen zuteil werden ließ.

Jemand sagte seinen Namen, und Emrys' Blick schwenkte zu der Stimme hin. Weg von Violet, hin zu... Christine! Erleichtert erhellte sich sein Gesicht ein wenig, zum ersten Mal seit Tagen mit echter Freude, wenn auch sehr gedämpft. Alle positiven Gefühle wareb gedämpft dieser Tage, so langsam gewöhnte er sich daran.
"Die kleine Lowell", begrüßte er sie, wohl wissend, dass sie mittlerweile wirklich nicht mehr das kleine Mädchen war, als dass er sie kennengelernt hatte. Wie froh war er, endlich eine Person anzutreffen, die er aufrichtig mochte. Doch bevor er ihr sagen konnte, dass er sich freute sie zu sehen, bat sie ihn um Hilfe. Er warf einen Blick über ihre Schulter und erblickte den grabschenden Grabbelonkel, wie er den Kerl innerlich naserümpfend nannte. Er war allgemein dafür bekannt, sehr touchy zu sein. Ungebeten natürlich. Widerlich, der Kerl, aber in diesen Kreisen kam er noch damit durch. Hey, wäre der nicht ein toller Kandidat für Violet?
"Ich helfe dir, wenn du mir hilfst", erwiderte er, legte den Arm um ihre Taille und hauchte ihr rechts und links die obligatorischen Begrüßungsküsschen auf die Wangen, ohne sie danach loszulassen. Befriedigt nahm er wahr, dass der Grabscher immerhin so viel Manieren besaß, dass er sofort in seinem Anmarsch innehielt. Wenn jemand im Gespräch war, dann störte man nicht, ungeschriebene High Society Regel. Er könnte sich zwar zu ihnen gesellen, aber der Blick, den Emrys ihm zuwarf, sorgte dafür, dass der Grabscher endgültig abdrehte, wobei er aber in Sichtweite blieb. Hoffentlich ließ sich Violet ebenso leicht fernhalten. "Nichts täte ich lieber, als mich mit dir zu unterhalten. Ich muss dich aber warnen; eventuell klammere ich mich den Rest des Abends an dich." Er musste nicht aussprechen, dass er keine Lust auf die Gespräche hier hatte; er wusste, Christine empfand diese als ebenso anstrengend wie er selbst. Nur hatte sie dem Geburtstag ihrer Mutter ja schlecht fernbleiben können, ohne den Hausfrieden zu destabilisieren.
Christine war die erste heute Abend, die ihn wirklich ansah. Da sie ihn kannte, blickte sie sofort hinter seine Fassade, die er eigentlich für ziemlich gut hielt; doch Christines prüfendem Blick hielt sie nicht stand. Er schüttelte den Kopf und vermochte es nicht, die Traurigkeit, die in einer großen Welle heranrauschte und ihn für einen Moment unter sich begrub, aus seinen Augen fernzuhalten. "Reden wir lieber nicht darüber", blockte er ab. Es war jetzt nicht der richtige Moment dafür. Zudem fiel es Emrys unglaublich schwer, über Ellis zu sprechen; es war, als wäre jedes Wort sie betreffend mit zentnerschweren Steinen behangen, die ihn in die Tiefe zu ziehen versuchten.

Emrys' Hand lag noch immer auf Christines untererem Rücken, als er nun seinerseits eine Musterung vollführte. "Du siehst umwerfend aus, aber... auch nicht unbedingt glücklich, wenn ich es so formulieren darf?" fragte er, in seinen Augen das unausgesprochene Angebot stehend, dass er ihr zur Verfügung stand, wenn sie reden wollte. Doch vermutlich war es hier genau wie für ihn auch für sie nicht der richtige Ort für ein ernsthaftes Gespräch.
"Ist es noch zu früh, um an die Bar zu gehen?" fragte er und zog Christine noch ein Stückchen enger an sich, als er Violet ihm Augenwinkel wahrnahm, die sich heranpirschte wie ein Tiger auf der Jagd. Guter Gott, hatte die Frau überhaupt keine Selbstachtung mehr übrig? "Ich könnte jetzt einen Drink wirklich gut gebrauchen."
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RE: Love comes slow and it goes so fast - von Emrys Westbrook - 09.03.2024, 10:45

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