I like the way I can't keep my focus
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#18


I like the way I can't keep my focus
,   Ellison King,   Emrys Westbrook
am 11.01.2021


Emrys blinzelte einen Moment, während er ihre Worte verarbeitete. Seide war gut für die Haarstruktur? Diese Frau überraschte ihn wirklich immer und immer wieder. Nie kam das, was man vermutetete, sondern etwas ganz anderes. Und es war so erfrischend, Zeit mit einer wundervollen Frau zu verbringen, die ihn immer wieder überraschte, die nicht langweilig und berechnend war - und trotzdem kein Buch mit sieben Siegeln. Ellis gelang da ein hervorragender Balanceakt, und Emrys konnte das nur bewundern und sich fragen, wie zur Hölle sie das hinbekam. Andererseits war er sich sicher, dass sie nahezu alles hinbekam, was sie nur wollte.

Aber zu einer Sache würde sie ihn ganz sicher nicht bekommen: Sich diesen Film noch einmal anzusehen. "Dieser Film ist Folter", erwiderte er finster. Der Film war ihre Religion? Das klang ja furchtbar. "Hm... vielleicht muss ich nochmal überlegen, ob das mit uns wirklich Sinn macht..." Das meinte er natürlich nicht ernst, er wäre nie so oberflächlich, eine Frau wegen so einer Lappalie abzuschießen - es sei denn, er hatte das ohnehin schon vor und sie lieferte ihm nur einen Grund, endlich den finalen Schritt zu tun. Emrys blickte Ellis ernst in die Augen. "Ich. werde. mir. diesen. Film. niemals. NIEMALS. wieder. ansehen. Okay?" Er sprach absichtlich langsam und mit Nachdruck. Das musste ihr klar sein und da war er leider auch zu keinem Kompromiss bereit. Durch diese Hölle würde er kein zweites Mal gehen, eher ließ er sich kastrieren. Ganz im Ernst. "Und Meryl ist in meinen Augen leider kein Argument FÜR den Film; eher dagegen. Seit Der Tod steht ihr gut hat sie in meinen Augen leider keinen Hit mehr gelandet." Der war aber richtig gut gewesen, das musste er zugeben. Geschaut hatte er ihn aber hauptsächlich wegen Bruce Willis, auch wenn der eher eine Nebenfigur gewesen war.

Dass der Moment so jäh unterbrochen wurde, gefiel Emrys ganz und gar nicht, aber in seiner Position und mit seinem Ziel erwartete sein Stab ständige Erreichbarkeit. Das Timing war natürlich für die Tonne, aber was sollte man da machen... Er konnte nur zusehen, dass der Termin schnell über die Bühne ging.
Er zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass Ellis ihre Drohung wahr machen und seine Sachen durchschnüffeln würde. Aber das konnte sie ruhig; es gab hier wenig persönliches über ihn zu finden. Die Sachen, die wirklich persönlich und somit potentiell prekär waren, befanden sich alle in einem Banksafe und waren unerreichbar für jeden außer ihm selbst. "Viel Spaß beim Schnüffeln, meine Liebe", wünschte er ihr, bevor er die Tür hinter sich zuzog.

Die Zeit in dem Termin zog sich endlos. Emrys kam sich wie ein Teenager vor und musste gegen den Drang, ständig auf die Uhr zu schauen oder auf dem Stuhl herumzuhibbeln, ankämpfen. Aber er war ein Politiker, und so ließ er sich nicht anmerken, wie sehr ihm dieses Meeting - oder bessergesagt das Timing ebendieses - gegen den Strich ging. Fokussiert navigierte er sein Team durch die Sitzung und stellte die richtigen Fragen an den richtigen Stellen; das erkannte er daran, dass seine Stabsmitglieder sich eifrig Notizen machten , diskutierten und man es in ihren Köpfen förmlich rattern sah. Manchmal kam Emrys sich vor wie ein Puppenspieler oder Kindergärtner; man musste nur richtig mit der Meute umgehen und konnte dann befriedigt zusehen, wie sie von allein eine gute Lösung fanden. Fast war er versucht, dem ein oder anderen anerkennend über den Kopf zu tätscheln. Aber nur fast.
Dennoch war er nach knapp 3 Stunden, als die Sitzung endlich endete - wie immer war der zeitliche Rahmen gesprenkt worden, aber das war er ja gewohnt - ziemlich erledigt. Diese Diskutiererei, die Gehirnleistung und die Notwendigkeit zur Problemlösung gab Emrys kurzfristig Energie, aber nun, da das Meeting abgeschlossen und er auf dem Weg zurück zu seinem Wagen war, spürte er die Erschöpfung. Manchmal fragte er sich, warum er nicht einfach Hot Dogs verkaufte. Das wäre so viel stressfreier. Doch genau aus diesem Niveau kam er ja, das vergaß er nie, und er war so dankbar für seinen Erfolg und den damit einhergehenden Luxus, den er sich erarbeitet hatte - nie und nimmer würde er sich je wieder mit weniger zufrieden geben. Für ihn gab es nur einen Richtungsweg: Nach oben.

Als er in die Sitzpolster des Fonds glitt und sich anschnallte, versuchte er den Termin bewusst abzuschütteln und sich stattdessen darauf zu freuen, was ihn zuhause erwartete. Ob Ellis wohl seine komplette Wohnung auf links gedreht hatte? Nein, wohl kaum. Das war nicht ihr Stil. Sicher hatte sie sich hier und da mal umgeschaut, vielleich seinen akkurat eingeräumten Kleiderschrank belächelt und sich über seinen gähnend leeren Kühlschrank gewundert. Ob sie wohl sein Weinregal geplündert hatte? Oder war sie auf der Couch bei einem Film eingeschlafen? Hatte sie halb New York zu einer spontanen Party eingeladen? Er wusste es nicht, und diese Unwissenheit rief eine positive Aufgeregtheit in ihm hervor.
Es kam ihm wie Tage später vor, als er schließlich die Tür durchschritt, die er vor wenigen Stunden erst hinter sich geschlossen hatte. Nachdem er ordentlich seinen Mantel weggehängt und die Schuhe in den Schuhschrank einsortiert hatte, kam er zu Ellis, die es sich auf seiner Couch gemütlich gemacht und eine Serie eingeschaltet hatte. Noch bevor er sie erreicht hatte, schaltete sie den TV aus und kam auf ihn zu, um ihm unaufgefordert ihr gekochtes Essen in den Mund zu schieben. "Hmmm", machte er unbestimmt, zum einen aufgrund der Überraschung, zum anderen weil die Froot Loops widerlich weich geworden waren. Eigentlich wollte er darauf noch näher eingehen, doch ihre nächsten Worte ließen ihn kurzzeitig erstarren. Mr. Westbrook. Sie hatte seinen Nachnamen herausgefunden. Gut, das war wohl zu erwarten gewesen, er verheimlichte den ja auch nicht gerade. Doch wie viel hatte sie sich über ihn dadurch erschließen können? Aufmerksam blickte er sie an, beobachtete jede Regung und Bewegung von ihr. Nach einem Augenblick entspannte er sich wieder. Sie stellte keine weiteren Nachfragen, also schien sie nicht die Verbindung seines Nachnamens mit dem Namen der Bibliothek seiner Alma Mater zu ziehen. Oder die zu dem aufstrebenden Politiker, von dem man ab und zu in den Zeitungen lesen konnte. Im besten Fall interessierte sie sich nicht sonderlich für die Politik ihrer Stadt und es klingelte daher einfach nicht bei ihr. Sein Job war kein Geheimnis, er war ja nicht bei der Mafia oder in einem Drogenkartell; aber irgendwie war es ihm lieber, sie wusste so lange wie möglich nicht, was er tat. Er wollte sie von dieser Welt fernhalten, weil er es einfach zu sehr genoss, dass sie mit diesem Teil seines Lebens in keinster Weise verknüpft war. Sie war ihre ganz eigene Welt in seinem Kosmos, und das gefiel Emrys ausnehmend gut.

Sie drückte ihm sein Handy mit einer eindeutigen Aufforderung in die Hand, und Emrys stellte es nicht nur lautlos, sondern schaltete es komplett aus und warf es achtlos hinter sich. Es war ihm scheißegal, ob es unglücklich aufkam und in tausend Teile zersplitterte; dann kaufte er sich halt ein Neues. Das war jetzt nichtig. Was wichtig war, das war die Frau vor ihm. "Dein Outfit gefällt mir ausnehmend gut", erwiderte er, und das Verlangen in ihm ließ seine Stimme dunkel und rau klingen. Er nahm ihr die Schüssel aus der Hand und stellte sie auf einem Beistelltisch ab, dann nahm er ihre Hand. "Ich will dir keine Angst amchen, aber jetzt hält mich nichts mehr auf." Nach einem kurzen Moment der Stille fügte er hinzu: "Höchstens ein Nein von dir."
Doch als sie nun die Playlist startete und er den Song erkannte, lachte er nur auf, schnappte sich Ellis und warf sie sich über die Schulter. Das Bett ansteuernd war er mehr als bereit für das, was jetzt folgen würde, und mit ein Nein von Ellis brauchte er wohl nicht zu befürchten.
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RE: I like the way I can't keep my focus - von Emrys Westbrook - 05.04.2023, 14:26

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