Love comes slow and it goes so fast
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#11


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Dass er viel vertrug mochte vielleicht seine Ansicht auf die Dinge sein - und wer war Christine um das anzuzweifeln? - aber wenn sie ihn sich so ansah, dann hatte er die maximale Verzehrmenge von Viel schon erreicht. Champagner stieg einem so schnell in den Kopf und das war die wie viele Tasse? Zweite? Dritte? Dazu der Drink von vorher… Noch schien es ja zu gehen, aber die Lowell würde nicht tatenlos dabei zusehen wie er sich um den Verstand trank und dann Gefahr lief sich zu blamieren. Hier im Spa Bereich waren sie ohnehin für sich, sollte er darauf bestehen zurück auf die Party zu gehen, dann… notfalls schmuggelte Christine ihn eben durch den Mitarbeiterbereich in irgendeines der Zimmer und sperrte ihn da ein, bis er ausnüchterte. Auch nicht unbedingt die Art und Weise ein Problem zu händeln, aber das war noch immer besser als ihn morgen in den Schlagzeilen sämtlicher Tabloids zu lesen. Dann wäre die Karriere ganz schnell hin, wobei sich weiße Männer ja eigentlich alles leisten konnten. Konsequenzen? Die galten für den Rest der Welt, nicht für die Schönen und Reichen.
„Nichts“, war die direkte Antwort auf die Frage, was sein Studienplatz mit irgendwas von dem zu tun hatte, was hier vor sich ging. Wie war sie darauf gekommen? Ihr alkoholgeschwängertes Gehirn nahm schon wieder Abzweigungen, die sie im Nachhinein selbst nicht mehr nachvollziehen konnte. „Ich habs mich nur gefragt. Hätte dich nur eher für einen Yale Typen gehalten.“ Warum auch immer, irgendwie wirkte er eher wie all die Yale-Absolventen aus ihrem Bekanntenkreis, statt denen, die in Harvard gewesen waren. Denn etwas anderes als eine Ivy League kam für Leute aus ihren Kreisen schließlich nicht in Frage. Vermutlich würde er die nächste Tasse im Schock leeren, wenn man Harvard Leuten eine zu enge Verbindung mit denen aus der konkurrierenden Hochschule nachsagte implodierten die ja für bekanntlich.

Dann musste Christine aber doch laut auflachen, als Emrys die Besonderheiten seiner Haut vortrug. Rot von zu viel Sonne. „Na sowas“, kommentierte sie. „Damit war nicht zu rechnen.“ Männer. Sie verstand, wenn jemand keine Masken, Peelings oder Ähnliches machen wollte, aber der richtige Schutz war schließlich nichts für die Eitelkeit sondern die Gesundheit. „Deine Wetter App am Handy zeigt dir den UV Wert des Tages an. Ab einem Wert von drei solltest du deine Haut schützen. Wenn du keine Sonnencreme tragen willst, dann kannst du wenigstens eine Tagescreme mit Schutz nehmen. Alles ist möglich ohne morgens viel Zeit im Bad zu verlieren.“ Dabei stellte sich ihr die Frage wie eitel er war? Er achtete auf sein Aussehen, klar, musste sein wenn man sich in der Öffentlichkeit profilieren wollte. Aber auch ansonsten… Emrys schien jemand zu sein, der eine klare Vorstellung davon hatte wie andere ihn wahrnehmen sollten. Was wiederum bedeutete, dass er sehr gut darüber Bescheid wissen müsste wie sein Auftreten wirken sollte. Und Männer, die auf Kosmetik wert legten waren längst keine kleine Randgruppe mehr.
„Zwischen Kuhmist und süßlich-niedlich haben wir zum Glück noch ein paar Optionen, wobei ich dich ziemlich süßlich-niedlich finde“, gestand sie ihm mit einem Grinsen zu und trank dann einen Schluck aus ihrer Tasse, ehe sie sich daran machte aus den vorhandenen Zutaten eine Maske anzurühren. Joghurt, Honig, ein wenig Kokosöl. Christine nahm eine Avocado zur Hand, schnitt diese auf und füllte einen guten Esslöffel voll mit dem grünen Fruchtfleisch in die Schüssel zu den anderen Ingredienzien. Dazu noch ein wenig Lavendel. Ein dezenter Duft, der sich mit den übrigen zu einer angenehmen Note verband.
Die Blonde ließ die Maske kurz Maske sein, füllte den Champagner erneut auf und leerte die Flasche somit restlos. Irritiert blinzelte sie Emrys an, als dieser die Tasse entgegen nahm und etwas murmelte, das für sie keinen Sinn ergab.
Was ließ nicht nach?
Christine sah sich kurz im Raum um, kein äußerer Einfluss der so eine Reaktion provoziert hätte, oder? Nicht soweit sie sehen konnte. „Was meinst du?“ Hauchte sie dennoch und trat zurück an die Anrichte, nahm die Schüssel die die Maske beinhaltete und die nötigen Behelfsmittel. Sie ließ sich wieder auf dem Hocker neben ihm nieder, stellte die Sachen ab und zog sich die dünnen Baumwollhandschuhe über, niemand wollte mit Gummihandschuhen im Gesicht berührt werden, sie erlebten hier Spa, keine Krebsvorsorge beim Dermatologen.
In ihr keimte die leise Vermutung auf, dass das, was ihn nicht losließ, irgendwie Hand in Hand damit ging, dass er so elend aussah und seinen offensichtlicher Kummer in Alkohol ertränken wollte. News Alert, der Bastard konnte schwimmen. Und was zerrüttete einen schon so sehr wie, das wusste sie selbst sehr genau, ein gebrochenes Herz? „Emrys?“ Ihre Stimme war leise und wohlwollend, als sie damit begann die Maske mit einem kleinen Spatel gleichmäßig aufzutragen, „hast du Liebeskummer?“ Denn nichts ging Hand in Hand wie Wellness und therapeutische Gespräche.
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#12


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Sie hätte ihn eher für einen Yale-Typen gehalten? Emrys wusste nicht so genau, was er davon halten sollte. Er hatte sich immer ohne jeden Zweifel für einen Harvard-Typen gehalten. Was machte da eigentlich den Unterschied aus, außer dem Stempel auf der Urkunde? Angesehen waren sie beide gleichermaßen. "Für mich war immer klar, Jura - Harvard." Er rümpfte die Nase. "Was ist der Unterschied zwischen einem Yaley und einem Harvardianer?" Nannte man die Harvard-Studierenden eigentlich so? Nein, oder? Egal, der richtige Name fiel ihm gerade nicht ein, und im Grunde genommen spielte es keine Rolle. Eigentlich spielte gar nichts eine Rolle. Ellis war nicht da, das spielte eine Rolle, aber es ließ sich nicht ändern, also war es irgendwie auch wieder egal. Er konnte nichts tun. Außer zu warten und zu hoffen, dass dieser fucking Schmerz irgendwann endlich mal nachließ. Aber ob das jemals passieren würde, wagte Emrys mittlerweile anzuzweifeln. Er hatte sich so viel Mühe gegeben, sich abzulenken und weiterzumachen, aber nichts schien so richtig zu fruchten, und das frustrierte und nervte ihn. Warum konnte er nicht loslassen, was er nicht haben konnte? Es gab doch keine Alternative. Er konnte sie ja schlecht gegen ihren Willen entführen und in seiner Wohnung festhalten, sie zu zwingen, mit ihm zusammenzusein. So funktionierte das nicht, und so wollte er das nicht. Verdammt, wenn sie ihn nicht wollte, dann wollte er sie auch nicht wollen. Sein Verstand und er, sie waren sich da komplett einig, warum stellte sich das Herz denn dann so quer? Was sollte das? Das war nicht fair.

Wetter App? UV Wert 3? Emrys nickte brav und versuchte, sich diese Information abzuspeichern. Nicht, dass er sonderlich viel Zeit in der Sonne verbrachte; dazu beschäftigte er sich gerade viel zu sehr. Und bis gerade hatte er auch irgendwie geglaubt, eine recht gute Haut zu haben; aber Christine sah anscheinend Handlungsbedarf. Na gut, es würde ihn ja nicht umbringen, sich hin und wieder eine Creme ins Gesicht zu klatschen.
"Du findest mich niedlich-süß?" fragte er ein wenig entgeistert und versuchte, diese Information einzuordnen. Sicherlich meinte sie das nicht so, wie es in seinen Ohren zunächst geklungen hatte; immerhin war der Altersunterschied zwischen ihnen groß genug, dass er ihr Vater sein könnte. Ein sehr junger Vater, aber theoretisch möglich. Einen so alten Sack wie ihn fand sie bestimmt nicht auf diese Weise niedlich-süß. Vermutlich meinte sie, dass diese Duftrichtung zu ihm passte, aber ob ihm das gefiel? Da war er sich nicht so sicher. "Ich hatte mich eher in die Rubrik herb-kühl eingeordnet... oder so." Gab es so eine Richtung überhaupt? Er hatte keine Ahnung. Aber er hatte auch keine Gelegenheit, sich groß darüber Gedanken zu machen, denn Christine fing emsig an, irgendwelche Zutaten zusammenzurühren. Er sah Joghurt und Honig... und eine Avocado. Sah er so hungrig aus? Meinte sie, er müsse etwas Essen, um den Alkohol aufzusaugen? Aber das wollte er so ganz und gar nicht. Ihm gefiel, dass sein Kopf langsam leicht wurde, als würde er ihn Schritt für Schritt mit Helium füllen. Champagner-Helium. Helium mit Champagnergeschmack. Hey, das war eine Marktlücke, oder nicht? Er musste Fred morgen direkt mal darauf ansetzen, das zu prüfen. Der gute Fred. Was er wohl gerade so machte? Mit Sicherheit keinen Alkohol trinken. Ob der arme Kerl überhaupt jemals Spaß hatte? Fraglich. Was hatte Fred eigentlich für Hobbies? Emrys nahm sich vor, seinem Stabschef diese Frage zu stellen, sobald sich ihm die Gelegenheit bot.
Wie war er da jetzt nochmal drauf gekommen?

Christine gab irgendwelches Grünzeug in das Essen, und ein angenehmer Duft breitete sich im Raum aus, der in irgendwie an Ellis erinnerte. Ellis auf einer Blumenwiese. Er sah sie förmlich vor sich, wie sie zwischen den langen Gras- und Blütenstengeln herumtanzte...
Oh man. Der Alkohol setzte ihm Bilder in den Kopf, die seine Sehnsucht nur noch vergrößerten. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sich den Champagner so reinzukloppen, aber jetzt war es eigentlich auch egal und es gab nur noch einen Weg: nach vorne. Also noch mehr Alkohohol. Kaum hatte Christine sein Glas aufgefüllt, nippte er auch schon daran. Das Zeug schmeckte aber auch nicht besser, je mehr man davon trank...
Als Christine ihn nun fragte, was er meinte, erstarrte er. Hatte er etwa gerade laut gesprochen? Mist. Er stellte die Tasse wieder auf dem kleinen Tischchen neben sich ab; er brauchte einen klaren Kopf, um sich herauszureden. Nicht, dass er Chrisine nicht vertraute, er hatte nur keine Lust, über das tanzende Blumenmädchen zu sprechen. Verdammt, er konnte nicht mehr denken; der Alkohol legte jeglichen Versuch dahingehend umgehend lahm. Was könnte er gemeint haben? Was hatte er überhaupt genau gesagt? Warum hörte er sich selbst beim Reden denn nicht zu?? Anfängerfehler.
Christine kam ihm mit dem Essensschüsselchen nahe, und für einen Moment hoffte er, sie habe ihre Frage einfach vergessen. Oder ließ das Thema fallen, in der Annahme, dass er nicht darüber sprechen wollte. Was ja auch korrekt war. Na ja, wenn sie nochmal nachfragte, schob er es auf den Alkohol oder...
Er vergaß den Gedanken, als Christine begann, ihm das Essen ins Gesicht zu schmieren. "Das ist kalt!" stellte er fest. War seine Zunge so schwer, wie sie sich anfühlte? Sprach er noch deutlich? Doch, ja. So viel hatte er nun ja noch nicht getrunken, das bisschen Helium - äh, Champagner... Er schloß kurz die Augen, versuchte zu genießen, was sie da tat, sah dann aber Ellis vor sich, die ihn dafür aufzog, wie er mit der Maske aussah, und öffnete die Augen wieder. Christine sagte leise seinen Namen, und Emrys wappnete sich, um etwaige Nachfragen abzuschmettern.

Aber so direkt, wie Christine nachfragte, ob er Liebeskummer hatte, war es ihm unmöglich, auszuweichen - schon allein, weil ihm der Schmerz bei dieser Frage sowieso direkt in den Augen geschrieben stand. Und ganz ehrlich, wozu auch? Christine würde niemandem etwas sagen. Und vielleicht tat es gut, mit jemandem zu sprechen; das war so ziemlich das Einzige, was er in den letzten Wochen noch nicht versucht hatte. Sie war immerhin eine Frau, vielleicht konnte sie ihm eine neue Perspektive eröffnen. Er seufzte tief. "Liebeskummer ist noch eine Untertreibung", antwortete er also matt. "Christine, wie hört man auf, jemanden zu lieben, der einen nicht will?"
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#13


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Die Konkurrenz zwischen Yale und Harvard zog gewisse Parallelen zu einer Religion; Leute glaubten an etwas, das genau genommen nur in ihren Köpfen stattfand, wurden oft hinein geboren und verteidigten etwas, das viele Generationen vor ihnen entstanden war. Beide Konzepte waren für Christine fremd, wie es Emrys mit der Religion hielt wusste die Lowell nicht, das hier waren definitiv auch weder Ort noch Zeit für die ultimative Gretchenfrage. Der Bandenkrieg der Hochschulelite schien zumindest auch für Emrys kein Thema zu sein, vielleicht war diese Angelegenheit nach außen hin ja doch größer gemacht als sie schulintern war? „Um ehrlich zu sein rührt mein gesamtes Fachwissen dazu aus Gilmore Girls.“ Nun, dass er sich das angeguckt hatte… wie wahrscheinlich war das? Aus einem unbestimmten Impuls zeichnete sich das Bild von einem Emrys Westbrook im Pyjama vor dem TV in Christines Vorstellung ab, Lorelei Gilmore auf 1,5 Quadratmetern Plasmabildschirm, zehntausend Silben pro Minute. Ehrlich gesagt, da sah sie ihn. „Welche ist deine Lieblingsfolge?“, hakte sie mutig nach in der direkten Annahme, dass er die Serie geschaut hatte. Sollte ohnehin ein Zugangskriterium für jeden Menschen sein, der dem amerikanischen Volk uneingeschränkt dienen wollte. Und aus einem weiteren Grund den sie nicht kannte hatte sich Emrys dieser Aufgabe ja offensichtlich verschrieben.
„Du bist niedlich-süß. Zumindest zu mir.“ Sie sah ihn über die Distanz hinweg schmunzelnd an, war sich gleichzeitig sicher, dass er auch ganz anders konnte wenn es darauf ankam. Vermutlich konnte er seine politischen Gegner an der emotionalen Sollbruchstelle treffen und zerstören, wenn er denn wollte. Würde mit ihr hier heute hoffentlich nicht passieren. „Aber herb-kühl gefällt mir auch, die Mischung machts. Im Bett aber eher herb.“ Nein wirklich, jedem das Seine, aber sie fühlte sich in den wenigsten Fällen davon angetan, wenn jemand alle zwei Minuten fragte ob ihr gefiel was er tat, ob alles okay war mit ihr, statt der gegenseitigen Chemie und den Instinkten zu trauen, dass jeder auf seine Kosten kam. Das war eines der wenigen Argumente, das für ihren nicht-mehr-Mann gesprochen hatte, aber da nahm die Pro-Liste auch schon eine gewaltige Änderung Richtung Abgrund vor.

Mit der fertig angerührten Gesichtsmaske trat Christine wieder auf Emrys zu und begann diese aufzutragen, auch wenn sich da schon im Vorfeld etwas in Emrys geregt hatte. Oder war es nur der Champagner? Den hatte er ja in Rekordzeit geleert, das würde er, da war sie sich sicher, noch ziemlich bereuen. Spätestens wenn die Aspirin am Folgetag auch nicht anschlagen würden.
Und irgendwie konnte sich Christine der Vermutung nicht verwehren, dass Emrys sich in gar keiner so unähnlichen Situation befand wie die Blonde selbst. Konzentriert trug sie die Maske auf, musste lachen, als Emrys die Kälte bemängelte. „Nur im ersten Moment. Vertrau mir, das ist gut gegen Schwellungen. Noch hast du keine, spätestens morgen, weil du von dem ganzen Champagner eine schreckliche Nacht haben wirst.“ Hoffentlich keine sich selbst erfüllende Prophezeiung, aber eine mit Erfahrungswerten.
Sie hatte erwartet, dass er ihrer Nachfrage direkt ausweichen würde. Vielleicht sogar, dass er sie in die Schranken verwies, weil Diskretion für ihn unausweichlich war. Je mehr er über sich erzählte, umso größer die Chance, dass jemand das Wissen erlangte und gegen ihn verwendete. Dass er das nicht tat sprach entweder für sie oder seinen Pegel, vielleicht eine Kombination aus beidem.
Seine Worte trafen sie auf einem persönlichen Level, sie richtete sich auf ihrem Hocker etwas auf und ließ ihre Utensilien kurz sinken. Mit einem mitfühlenden Blick sah sie Emrys an, der mit der halben Maske ein wenig aussah wie das Phantom der Oper. „Sag du es mir“, antwortete sie leise, während ihre Gedanken einen Abstecher tausende Meilen weiter machten, einmal auf das europäische Festland, wo alles so chic, so baguette war, auf jeden Fall so viel besser als sie es jemals gewesen war, denn ansonsten wäre er ja nicht dort geblieben sondern zu ihr zurück gekommen. „Champagner scheint mir ein guter Start.“ Es folgte ein schweres Seufzen, dann Stillschweigen, weil sie absolut keine Ahnung hatte. „Was ist passiert?“, hakte sie stattdessen nach und trug die Maske schließlich weiter auf, sonst hätte er nachher nur zu 50% eine strahlendere Haut, wie bescheuert würde das wohl aussehen? „War es die eine Person?“ Er würde hoffentlich wissen was sie meinte, diese eine Person eben, die einem mit dem bloßen Auftauchen das Lächeln auf die Lippen zauberte, die einen mit dem blödesten Dingen zum Lachen brachte und die genau wusste, was man gerade dachte oder brauchte, ohne, dass Worte nötig waren. Jemand der dafür sorgte, dass es sich anfühlte, als würde man die Sonne von allen Seiten spüren eben.
„Wenn es die überhaupt gibt“, folgte dann aber eine eher nüchterne, vom eigenen gebrochenen Herzen ausgehende Reaktion. Christine fuhr mit den Fingerspitzen an den empfindlicheren Stellen in seinem Gesicht entlang um die Maske besser verteilen zu können. „Ich weiß nicht ob es schön oder grausam wäre, wenn kein Mensch sowas in einem auslösen könnte.“
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#14


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


"Gilmore Girls?" fragte Emrys irritiert. Davon hatte er schon mal gehört... War das nicht irgendeine Serie? Er meinte, er hätte sich mal mit einer Schauspielerin unterhalten, die erwähnt hatte, dass sie in der Serie mitspielte. Eine Lauren oder so? Er war sich nicht sicher. Aber wenn sie in der Serie so schnell sprach wie in der Serie, dann war das mit Sicherheit keine leichte Kost. Er hatte sich vielelicht ihren Namen nicht gemerkt, aber ihre beeindruckende Wortzahl pro Minute, die war ihm auf jeden Fall im Gedächtnis geblieben. "Welches ist denn deine Lieblingsfolge?" Nipp, nipp. Die Tasse war bald schon wieder leer. "Und worum genau geht es da? Ich fürchte, ich habe keine Ahnung von diesen Girls. Sind das zwei Schwestern, die nach Yale und Harvard gehen?" Er hatte von den Animositäten und der Lagerspaltung natürlich etwas mitbekommen. Als Harvard-Student mit einer Yaley auszugehen war Gotteslästerung gleichgekommen. Nur interessiert hatte ihn das nie; zu fixiert war er auf sein Studium gewesen, zu ehrgeizig und verbissen, als dass er für diese Art von Streitigkeiten etwas Energie hatte abzwacken wollen.
Niedlich-süß im Verhalten also. Damit konnte er umgehen. Es wäre ja auch vermessen zu denken, dass sie einen alten Kerl wie ihn irgendwie sexy fand; aber das war auch keine Ebene, auf der sie miteinander umgehen würden und wollten. Emrys war dankbar für Christines Freundschaft, denn Freunde hatte er nun mal nicht viele, und einen Freund - bzw. eine Freundin - konnte er gerade wirklich gut brauchen. Vor allem in der Verfassung, in der er gerade war.
Moment, hatte sie gerade gesagt, im Bett mochte sie es herb? "Christine, ich will nicht wissen, was du damit im Detail meinst, okay? Deine Mutter würde mir sonst den Mund mit Seife auswaschen, wenn sie wüsste, worüber ich mit dir rede." Zwar verband ihn eher mit Christine als mit Elizabeth das freundschaftliche Band, mit dem Geburtstagskind war er eher oberflächlich auf High Society Art "befreundet", aber er hatte durchaus einen gesunden Respekt vor Christines Mutter.Und ganz ehrlich, wenn irgendso ein alter Kerl mit seiner Jungen Tochter über Sex reden würde, er würde den Kerl einen Kopf kürzer machen. Na ja, wenn er denn eine Tochter hätte.

Schwellungen? Er wusste nicht, dass er morgen welche haben würde. "Und die Maske hilft heute schon gegen die Schwellungen von morgen?" fragte er skeptisch. Wie sollte das denn funktionieren? Aber wenn, dann war das wirklich ein Trick, den er sich merken musste. "Innovativ", befand er und nickte. Über den morgigen Tag und seinen Zustand nach dem ganzen Champagner machte er sich jetzt keine Gedanken. Das war nur das kleinste Übel in seinem Leben, das gerade mit wenig Sonnenstrahlen aufzuwarten hatte. Er war im gefühlstechnisch in einem kalten, regnerischen November gefangen, und der Frühling schien in unerreichbarer Ferne.
Leider schien im Christine auch keine Antwort liefern zu können. Na klar, es gab kein Patentrezept, sich zu entlieben Das wäre ja zu einfach. Aber gäbe es ein Medikament dagegen, Emrys wäre der Preis egal. Und das nicht nur, weil er genug Geld hatte, sondern weil er nahezu alles tun würde, um den Schmerz endlich loszuwerden. Zwei Monate, war das nicht genug Leid und Schmerz? Wann hörte das denn endlich auf?
Er war dankbar, dass Christine die Maske auftrug, konzentriert arbeitete und ihm nicht in die Augen sah, während sie arbeitete. Die Maske fand er ja immer noch unangenehm, doch dieses Gefühl rückte in den Hintergrund, als Christine ihn fragte, ob Ellis die Eine gewesen war. "Ich habe nie geglaubt, dass es sowas überhaupt gibt. Die Eine. Das war mir immer wie völliger Blödsinn erschienen. Wenn jeder Mensch nur einen anderen Menschen hat, der perfekt zu ihm passt, dann wäre die Menschheit doch schon ausgestorben, oder? Aber..." Er atmete tief durch, atmete durch die Schmerzwelle. Machten Gebährende das auch so? "Aber wenn sie dann vor dir steht und dich umhaut... Und du weißt, dass du noch nie so für jemanden gefühlt hast und fühlen wirst." Erneut musste er eine Pause machen. Atmen. Christine war geduldig, ließ ihm Zeit. "Und dann ist im einen Moment alles perfekt, und im nächsten sagt sie dir, dass sie nicht mit dir zusammensein kann. Und geht." Er schloss die Augen, so war es einfacher, zu reden. Dann musste er Christine nicht ansehen, die ihm bestimmt einen mitleidigen Blick schenkte. Er hörte sich an wie ein liebeskranker Trottel, aber sie hatte ja gefragt. Sicherlich wusste sie ja auch, was er meinte, oder? Sie hatte ja immerhin jemanden genug geliebt, um ihn zu heiraten. Nicht so wie er, der sich immer nur verlobt und dann den Schwanz eingezogen hatte. Sie wusste also sicher, wie es sich anfühlte, die eine Person gefunden zu ahben, auch wenn sie dem Konzept grundsätzlich eher skeptisch gegenüberstand.
"Wie lange muss dass denn jetzt draufbleiben?" fragte er in dem jämmerliche Versuch, vom Thema abzulenken. Von seiner eigenen Jämmerlichkeit.
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#15


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Christines Tun wurde langsamer als Emrys nach ihrer Lieblingsfolge fragte, die Rhetorik dahinter hätte sie vermutlich schon erkannt, nicht aber, wenn sie Champagner aus Tassen trank. „Ich glaube die in der das Dragonfly endlich eröffnet? Wobei…“ Sie wog den Kopf zu beiden Seiten. „Auch die mit den Rückblicken, das haben die einfach gut hinbekommen.“ Kopf leer, Gedanken im Durchzug. Dass sie eigentlich Konversation auf der Geburtstagsfeier ihrer Mutter halten sollte war ein so weit entferntes Konzept, dass sie schon gar nicht mehr daran dachte, dass da überhaupt eine Feier vor sich ging. Oder ihre Mutter Geburtstag hatte. Oder dass sie noch eine Mutter hatte überhaupt. Emrys und Christine, Gesichtsmaske und Champagner. Wie einzigartig dieser Moment war und vermutlich bleiben würde - sie sollte nicht über Serien reden, sondern genießen, dass sie hier vielleicht mit dem zukünftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten ein solch intimes Szenario pflegte. Davon würde sie noch ihren Enkelkindern erzählen. Die sie nie haben würde. Weil sie ja auch keine Beziehung hatte. Sie könnte es wie ihre Schwester machen, sich vom Handwerker schwängern lassen, aber nie im Leben wollte sie alleinerziehend sein. Außerdem war sie längst zu alt dafür. Ihre Kinder waren ihre Katzen.
Ein wohliger Ausdruck hatte sich auf ihr Gesicht gelegt, entspannen ohne Reue, das gab es nicht solange sie im Dienst war. Und irgendwie war sie das wohl? Arbeitete sie gerade? Die Grenzen schwanden, Emrys war ein Freund. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt an dem er gestand noch nie Gilmore Girls gesehen zu haben. „Wie kann man das nicht gesehen haben?“ Unfassbar. „Ich weiß, dass du viel arbeitest, aber es gibt Dinge die man im Leben dennoch nicht verpassen sollte.“ Sonnenuntergänge mit Geliebten, Abenteuer die jung hielten, die große Liebe treffen, Gilmore Girls gucken. „Mutter und Tochter“, versuchte sie es noch, machte dann aber eine wegwerfende Handbewegung. Sie würde nicht im Hier und Jetzt noch versuchen den gesamten Plot der Serie zu erklären. „Guck es dir an, vertrau mir.“

Und dann musste sie doch lachen, als Emrys ausgerechnet auf ihr Bett-Geständnis mit Empörung reagierte. „Ich wusste nicht, dass du prüde bist“, stellte sie fest und musste zugeben, das fand sie ebenso niedlich wie ihn selbst. „Keine Sorge, meine Mutter weiß, dass ich dahingehend sehr offen und kommunikativ bin. Stört es dich? Ich hör damit sofort auch, wenn es dir unangenehm ist.“ Sie würde sich mit ihm auch über jegliche Sexualpraktiken unterhalten, es sei denn, ihm war die Sache peinlich. Jemanden bloßzustellen lag nicht in ihrer Absicht, aber davon mal abgesehen war sie so schambefreit wie man nur sein konnte und durfte. In der Öffentlichkeit zumindest, zu Hause gab es da keine Grenzen. „So viel älter als ich bist du auch gar nicht“, fand sie aber dann noch einmal erwähnenswert. Sicher, dass er nicht doch Republikaner war?
„Du hast jetzt schon Schwellungen, mein Lieber, aber die, die du morgen haben wirst, wirst sogar du im Spiegel sehen.“

Dass er dann tatsächlich darüber sprach, was ihm so unfassbar zusetzte, ehrte Christine sehr. Emrys blieb diese Gefühlsregung verborgen, die Maske verbot ihm einen klaren Blick auf sein Umfeld und irgendwann entschied er sich ohnehin dazu die Augen geschlossen zu halten. War vielleicht nicht verkehrt, vermutlich brannte die Maske in den Augen, zumindest wäre es nicht sehr angenehm.
„Zum Fortpflanzen braucht man keine große Liebe“, gab sie sehr trocken und seufzend zum Besten. „Meine Schwester hat den Klempner genommen.“ Sie gluckste leise. Das sollte kein Wissen für die Öffentlichkeit werden, aber wenn so eine pikante Information irgendwo sicher war, dann bei Emrys. Vor allem weil er hier Geheimnisse über sich preisgab, die in der selben Gewichtsklasse lagen. Seine weiteren Worte schickten Christines Gedanken auf eine Reise. Wenn die Richtige vor einem stand. In ihrem Fall eben wohl eher der Richtige. „Wie“, brach es dann aber doch aus der Lowell heraus, „wie sie ist einfach gegangen?“ Irgendwie war ihr Hirn nicht in der Lage das in ein sinniges Szenario einzubetten. „Also seid ihr zusammen gewesen, ein Paar“, versuchte sie das Denkdilemma zu erklären, „und dann ist sie weg?“ Sie stellte die Schüssel endgültig zur Seite, verteilte die aufgetragene Masse mit den behandschuhten Fingerspitzen noch ein wenig mehr und zog sich den Baumwollstoff dann von den Händen, griff dafür nach Emrys linker Hand und begann mit sehr leichten, subtilen Berührungen die Innenfläche zu massieren, geschickt suchten ihre Finger die richtigen Punkte und übten mehr Druck aus. Emrys sollte sich entspannen, das hatte er sich verdient. „Ich guck auf die Uhr, genieß es einfach“, flötete sie ihm entgegen, ihr Blick suchte eine Zeit. Wo war hier die scheiß Uhr? Ach, da. Zehn Minuten, das würde sicher reichen.
„Hast du seitdem wieder mit ihr gesprochen?“ Vielleicht sollte sie gar nicht so genau nachfragen, aber was, wenn es ihm am Ende vielleicht ein wenig half? Er konnte ja noch immer sagen, dass er darüber nicht reden wollte. Halbwegs konzentriert verfolgte sie die einstudierten Handgriffe an, naja, seiner Hand mit ihrer. „Es muss doch einen Grund geben wieso sie nicht will, ich meine… guck dich an.“ Sie nickte anerkennend, was er mit geschlossenen Augen natürlich nicht sehen konnte. „Du bist sehr erfolgreich, intelligent, witzig, unverschämt gutaussehend. Und natürlich niedlich, das wollen wir nicht vergessen. Also wenn sie nicht mit dir zusammen sein möchte, dann liegt es an ihr und nicht an dir. Oder?“
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#16


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Emrys hatte keine Ahnung, was das Dragonfly war, aber es spielte eigentlich gerade auch keine Rolle. Vielleicht würde es ihm einen Aha-Moment bescheren, wenn er sich die Serie dann mal anschaute, wozu Christine ihm dringend riet. Er war sich zwar sicher, nicht zur Zielgruppe dieser Serie zu gehören, aber reinschauen konnte er ja mal. Irgendwas musste er ohnehin tun, um sich abzulenken, wenn er sich die schlaflosen Nächte um die Ohren schlug. Anfangs hatte er da noch gearbeitet, aber neuerdings sorgte der aufmerksame Fred dafür, dass Emrys seinen Laptop nicht mit nach Hause nahm, sodass es ihm nicht möglich war, nachts zu arbeiten. Womöglich war er es einfach leid, mitten in der Nacht Mails von seinem Boss zu bekommen. Auf jeden Fall war es Emrys so nicht möglich, von zuhause vernünftig zu arbeiten, sodass diese Option zur Ablenkung wegfiel. Aber vielleicht war es Zeit, sich ein Streaming-Abo zuzulegen. "Wo kann man das denn schauen, kann man das irgendwo streamen?" fragte er Christine, die seine Frage ohne jeden Zweifel beantworten konnte. Mutter und Tochter. Na ja. Er würde der Serie eine Chance geben. "Und wie viele Folgen sollte ich mindestens gucken, bevor ich beurteilen kann, ob die Serie was für mich ist?" Irgendwie vermutete, dass die Antwort darauf "alle" lauten würde, aber er konnte ja trotzdem mal fragen. Manchmal brauchten Serien ja ein paar Folgen, bis sie gut wurden - hatte er gehört. Er selbst hatte schon seit Jahren keine Serie geguckt. Die letzte, die ihm akut einfiel, war ALF.

War er prüde? Emrys runzelte die Stirn, was sich mit der Maske auf dem Gesicht komisch anfühlte. Hoffentlich bekam er keinen Ärger, weil er die Maske ruiniert hatte. "Nein, es stört mich nicht. Ich möchte nur nicht, dass deine Mutter uns hier irgendiwe abhört und mir nachher einen Einlauf verpasst, weil du in ihrem Kopf noch ein unwissendes, jungfräuliches Mädchen bist." Manche Eltern schafften es ja nie, dieses Bild ihrer Kinder abzulegen, selbst wenn diese sie schon zu Großeltern gemacht hatten. Das hatte er jedenfalls bei Bekannten erlebt, er selbst konnte da ja nicht mitreden. Die Frage, wie Ellis ihre Kinder wohl sah, poppte in seinem Kopf auf, und er schnaubte unwillig auf. Sie sollte endlich aus seinen Gedanken verschwinden!
Zum Glück lenkte Christine ihn direkt wieder ab. Dass sie ihn gar nicht als so viel älter wahrnahm, tat seiem Ego gut; manchmal hatte er das Gefühl - oder vielmehr die Befürchtung - , dass Frauen ihres Alters ihn schon für einen alten Sack hielten. Er fühlte sich gerade auch ziemlich alt, aber das lag vermutlich schlichtweg daran, dass er sich momentan wie durchgekaut und ausgekotzt fühlte. "Danke, es tut gut das zu hören", seufzte er. Zwar fühlte er sich mit seinem Alter wohl und hatte kein Problem damit, aber manchmal war er schon erschrocken darüber, in wenigen Jahren 60 zu werden. War er nicht gefühlt gestern erst 40 geworden? Wieso verging die Zeit eigentlich so schnell?
"Also, wenn du vom Thema Sex zum Thema Schwellungen übergehst, entstehen leider seltsame Bilder in meinem Kopf", versuchte er, zu scherzen. "Aber wenn ich morgen in den Spiegel sehe und Schwellungen entdeckte, wedre ich auf jeden Fall an dich denken. Hast du denn einen Tipp, was ich dann machen kann? Ich hab zwar meinen Kalender nicht im Kopf, aber vermutlich habe ich morgen irgendeinen Termin, bei dem ich einigermaßen vorzeigbar und fit aussehen sollte. Wahrscheinlich kommt es nicht so gut, wenn ich die rote Schleife vor einem Seniorenheim durchschneide und dabei aussehe, als hätte ich die ganze Nacht durchgesoffen. Könnte schlechte Schlagzeilen geben." Wobei schlechte Schlagzeilen natürlich immer noch besser waren als gar keine, aber bisher hatte Emrys ziemlich erfolgreich sein Saubermann-Image kultiviert und wollte das auch gerne so beibehalten. Es würde schon noch früh genug irgendwelchen Mist geben, mit dem die Presse ihn bewerfen konnte, aber solange es sich verhindern ließ, wollte er ihnen die Munition nicht selbst in die Hände legen.

"Ja, da hast du auch wieder recht." Immerhin gab es genug Menschen, die Kinder machten, ohne das große Gefühle zwischen ihnen herrschten; ob es nun ein "Unfall" war oder Mittel zum Zweck, um sich den Kinderwunsch zu erfüllen. Dass Christines Schwester mit einem Klempner zusammen war, hörte Emrys zum ersten Mal - aber wer war er, darüber zu urteilen? Solange sie glücklich war, war doch alles prima. "Ist sicher praktisch, einen Handwerker im Haus zu haben", antwortete er also gelassen. Natürlich fragte Christine nach, wollte Details wissen. Emrys musste sich überwinden, ihr diese zu geben, und lieferte ihr eine knappe Zusammenfassung. "Sie hat zufällig herausgefunden, dass ich Politiker bin, und... ich weiß es nicht genau. Sie meinte, sie wäre mein politisches Ende und daher könnten wir nicht zusammen sein. Sie hat mich gebeten, sie zu vergessen, und hat mich... verlassen. Im einen Moment hatte ich sie noch im Arm, im nächsten... war sie weg." Seine Stimme war gegen Ende hin immer leiser geworden und brach bei den letzten Worten schließlich weg. Die Erinnerung an seine letzten Momente brannte wie die Hölle in seinem Inneren, er hielt es kaum aus. Er wollte diesen Moment zurück, um irgendetwas anders machen zu können und den Ausgang zu verhindern. Und wenn er einfach nur die blöde Zeitung verbrannte, bevor sie die Schlagzeile über ihn lesen konnte. Aber das hätte das Ende nur aufgeschoben, nicht wahr? Im Grunde gab es nichts, was diesen Moment verhindern konnte. Er war, wer er war, und sie war, wer sie war - was immer das bedeutete. Die Details hatte sie ihm ja nicht verraten.
Christine begann, seine Hand zu massieren. Emrys war kurz überrascht, dann stellte er fest, dass ihm das gefiel. "Das fühlt sich wirklich gut an." Sein Körper entspannte sich tatsächlich ein wenig. Nur sein Kopf und sein Herz gaben einfach keine Ruhe. Dass Christine ihm Komplimente machte und Honig um den Bart schmierte, schmeichelte ihm natürlich. Aber was war all das, was sie aufzählte, wert, wenn es nicht ausreichte, um Ellis zu halten? Für ihn aktuell nicht viel.
"Ich danke dir für diesen sehr offensichtlichen Versuch, mein Ego ein bisschen aufzubauen. Aber ja, es lag an ihr... Sie hat mir den Grund nicht gesagt, ich glaube, sie konnte einfach nicht. Oder sie hat mir nicht genug vertraut, obwohl ich eigentlich denke, dass das nicht der Grund ist. Andererseits kannten wir uns nicht ziemlich gut, zumindest nicht die harten Fakten. Wir waren auf einer anderen Ebene unterwegs." Er seufzte. Was Ellis und er gehabt hatten, war schwer zu erklären. Es war so besonders gewesen... und viel zu kurz.
"Ich bin mir sicher, die Entscheidung ist ihr schwer gefallen, und ich respektiere ihren Wunsch, fernzubleiben. Aber... Ich dachte, nach ein paar Wochen Liebeskummer würde ich die Sache abhaken und weitermachen können, aber irgendwie tritt das nicht ein." Er seufzte erneut, in dem Versuch seinem Brustkorb etwas von dem Druck zu nehmen, den sein bleischweres Herz ihm machte. "Kannst du mir mal meine Tasse geben?" bat er, die Augen weiterhin geschlossen.
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#17


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


„Eine wird reichen aber es wird nicht bei dieser einen bleiben, vertrau mir.“ Vielleicht sollte sie ihn dafür an die Hand nehmen, einen Termin bei seinem unverschämt gutaussehenden Assistenten machen und ihn auf einen Netflix-Abend einladen. Gilmore Girls, gutes Essen und nochmal Gesichtsmasken, irgendwas sagte ihr, dass er nicht der Typ war der von allein konstant dabei bleiben würde. Aber das war in Ordnung, umso mehr könnte sie begründen, dass er vorbei kommen sollte und dann würde sie ihrem Freund Zwangspausen auferlegen. Wenn sie ihm verkaufte, dass das gut für den Wahlkampf war, dann würde er wohl kaum Widerworte parat haben können, oder?
Der Begriff jungfräulich ließ Christine glucksend auflachen. „Du weißt, dass ich verheiratet war, oder? Bin. Verheiratet bin.“ Sie strauchelte, hielt kurz in ihrem Tun inne. Bei welcher Geschichte sollte sie bleiben? Er verdiente die Wahrheit, würde ohnehin nicht dafür sorgen, dass das pikante Detail große Kreise zog. Es war ja eigentlich kein Geheimnis, aber Christine ließ die Sache für sich arbeiten und laufen, dann musste sie sich wenigstens nicht von irgendwelchen Tanten ihre ledigen Söhne und Neffen andrehen lassen, die in erster Ehe ebenso versagt hatten und die nun auf der Suche nach einer guten zweiten Partie waren, die bestenfalls keine Kinder mehr wollten. Unterhaltszahlungen, da hörte der Spaß bei der reichen Elite schnell auf. „Verheiratet war“, strauchelte sie also noch einmal zurück und fuhr dann schnell fort, damit erst gar kein Raum für Gespräche darüber entstehen konnte. „Meine Mutter würde das niemals denken. Sie verehrt dich, die verbale Schelle würde ich erst abends bekommen, vertrau mir. Aber auch das würde nicht passieren.“ Elizabeth wusste wen sie da großgezogen hatte und wusste ebenso zu schätzen, dass Christine mit Emrys eine gute Freundschaft pflegte, die über das oberflächliche Geplänkel hinausging. Das waren die Kontakte die einem irgendwann wirklich aus der Patsche halfen. Und dass Emrys Christine helfen würde wenn sie ihn danach fragte, da ging sie eigentlich doch schon von aus. „Wahrscheinlich würde sie nichtmal die Augen verdrehen wenn sie uns beide in flagranti erwischen würde, sondern höchstens bitten beim nächsten Mal die Tür abzuschließen.“ Und sich dann vielleicht insgeheim fragen ob sie ihre zweite Tochter noch als Westbrook unter die Haube kriegen könnte, aber das war nicht nur unwahrscheinlich sondern jenseits aller Möglichkeiten. Vor allem weil so klar schien, dass Emrys Herz hoffnungslos an einer anderen Person hing, die wiederum nicht geschätzt hatte, was sie an ihm gehabt hatte?
„Ich werde dir gleich Sachen mitgeben. Vielleicht lasse ich sie dir auch schicken. Oder bringe sie. Oder du holst sie dir ab und ich mach dir dabei gleich noch eine Maske“, ließ sie offen wie Emrys nun zu den Produkten käme, die ihm bei etwaigen Schwellungen im Gesicht helfen würden. „Das ist eine Investition für die Zukunft. Ich meine nicht das Geld, sondern die Zeit und Pflege die du in deine Haut steckst.“ An finanziellen Mitteln mangelte es ihm nicht nur, er könnte vermutlich diesen ganzen Bereich mal eben mit dem bezahlen, was er in der Brieftasche dabei hatte. Bar. Wobei er pragmatisch wirkte was das anging, wahrscheinlich hatte er eine schwarze AmEx irgendwo verstaut, die ihm sämtliche Türen öffnen könnte.

„Der Klempner ist kein Teil der Familie, er war nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wenn Sophias Hormone zuschlagen springt sie jedem Kerl an den Hals. Ich weiß nichtmal ob er weiß, dass er Vater ist.“ War auch nicht ihr Problem und sie würde auf keinen Fall auch nur einen Finger in diese Richtung tun. Ihre Schwester sollte tun was sie für richtig hielt, ging aber doch recht erfüllt in der Mutterrolle auf.
Emrys gab sich zwar Mühe Christine zu erklären wie sich die gesamte Sache zugetragen hatte, aber so richtig nachvollziehen konnte sie die Stufen der Eskalation nach wie vor nicht. „Wie konnte sie nicht wissen, dass du Politiker bist?“ Sein Gesicht war doch überall zu sehen; Fernsehen, Zeitung, Wahlplakate. „Ist sie blind?“ Sie wollte nicht unhöflich sein, das war ja durchaus eine Möglichkeit. „Und wieso hast du es ihr nicht gesagt?“ Dass sie auf einer anderen Ebene unterwegs gewesen waren ließ Christine nur kurz nachdenklich werden, sie hätte es verstanden wenn es eine spirituelle gewesen wäre, aber das wiederum entsprach nicht dem Emrys, den sie kannte und hier vor sich hatte. Gewissenhaft massierte sie ihm die Hand, löste sogar in diesem Bereich des Körpers kleine Blockaden. „Du bist wirklich sehr verspannt“, sprach sie aus was er genauso wissen musste, bei seinem Job und Leben auch kein Wunder. „Auf welcher Ebene seid ihr denn gewesen?“
Seufzend ließ sie seinen Wunsch kurz im Raum stehen. „Erst eine Tasse Wasser“, entschied sie dann, sie waren hier gemeinsam dumm aber einer müsste immer der Dümmere sein und dieses Recht ging heute an Emrys. Er hatte Liebeskummer, da durfte man über die Stränge schlagen. Sie erhob sich von ihrem Hocker und füllte die Tasse mit Wasser, reichte diese dann an den Westbrook weiter. „Wieso gehst du nicht hin und redest mit ihr? Vielleicht traut sie sich nicht zu dir zurück. Oder denkst du sie fühlt nicht so wie du?“ Die Lowell betrachtete Emrys mitfühlend und doch sachlich zugleich, die Herzensangelegenheiten wurden schwieriger je älter man wurde, da war man nicht mehr nur ein hormongesteuerter Teenager sondern musste auch andere Faktoren berücksichtigen; Arbeit, eventuelle Kinder, vergangene Beziehungen. „Was ist ihr Job, wenn es sie so abschreckt, dass du Politiker bist? Oder ist sie etwa… Republikanerin?“ Es sollte ein Witz sein, zumindest hoffte Christine, dass Emrys das als solchen wahrnahm, je nachdem wie frisch die Wunde war…
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#18


Love comes slow and it goes so fast
,   Christine Lowell,   Emrys Westbrook
am 08.03.2021


Na, da hängte Christie die Messlatte hoch - wenn sie ihm prophezeite, dass die Gilmore Girls ihn nach nur einer Folge am Haken haben würden. "Herausforderung angenommen, ich bin gespannt", erwiderte er, doch ob und wann er tatsächlich dazu kommen würde, sich der Serie zu widmen, konnte er nur schwer einschätzen. Im Moment zog er die Arbeit vor, die hielt sienen Kopf gut beschäftigt, sodass er manchmal in seinem Tun innehielt uns ich verwirrt fragte, warum sein Herz so schwer in seiner Brust schlug - bis der Vorschlaghammer dann auf ihn herabsauste und ihn wieder daran erinnerte, dass sein Herz nicht mehr war als ein zertrümmerter Scherbenhaufen. Doch zuhause, wenn ihn die Politik nicht ablenkte, konnte er diesem Wissen nicht entkommen. Dann musste er sich der Tatsache stellen, dass Ellis ihn von sich gestoßen und aus ihrem Leben verbannt hatte. Und wie sein Bücherregal bezeugen konnte, ging er damit leider nicht besonders gut um. A propos, er musste Fred noch darum bitten, das Regal ersetzen zu lassen.
Doch nun lauschte er Christines Worten und runzelte verwirrt die Stirn, was mit der Maske im Gesicht reichlich schwierig war. Es spannte zumindest ganz schön. "Was denn nun? Bist oder warst?" fragte er sanft nach. War es gerade schwierig? Emrys hatte davon gehört, dass Christine geheiratet hatte; vermutlich hatte er sogar eine Einladung erhalten, war aber schlichtweg bei dem Termin nicht in der Stadt gewesen? Nun, auf jeden Fall schien sie mitten in der Scheidung zu stecken, wenn sie nicht genau sagen konnte, ob sie noch verheiratet war - wobei sie sich letztendlich für die Vergangenheitsform entschied.
"Jahaaa, jetzt verehrt deine Mutter mich." Das wusste er, wozu also bescheiden tun. "Aber warte, bis sie denkt, dass ich ihrem Töchterchen ans Höschen will - da kann auch jemand wie die gute Lizzie zum Drachen werden, da bin ich mir sicher." Der Alkohol löste seine Zunge und ließ seine Wortwahl einige Stockwerke in den Keller sausen; zumindest konnte Emrys sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal Jahaaa gesagt oder Christines Mutter Lizzy genannt hatte. Sicher nicht in der Gegenwart der besagten Dame. "Sie würde mir an Ort und Stelle noch einen Ehevertrag unter die Nase knallen und mich festhalten, bis der Schiedsrichter da wäre, um uns direkt zu trauen." Er schnitt eine Grimasse. Vom Heiraten war er ungefähr so weit entfernt wie... na ja, wie man eben nur sein konnte. So weit wie davon, wieder im Trailer Park zu enden. Oder sich ein Tattoo machen zu lassen. Oder glücklich zu sein.
"Das ist lieb von dir", dankte er Christine, die ihm direkt Produkte mitgeben oder schicken lassen würde. Schicken war wohl besser, denn wenn er weiterhin Alkohol in dem Tempo konsumierte, was er durchaus vorhatte, dann würde er wohl später kein Tütchen mit Beauty Produkten mehr tragen können - dann musste sie es dem armen Fred in der Hotellobby wohl schon direkt in die Hände drücken. Emrys hatte nicht vor, das Hotel geraden Ganges zu verlassen. Für eine Nacht wollte er die Kontrolle an das Hochprozentige abgeben, die Gedanken ertränken und traumlos schlafen. Bitte, nur eine Nacht, flehte er im Stillen. Nur eine Nacht, in der ihn der Schmerz nicht um den Schlaf brachte und er Ellis mehr vermisste, als er je in Worte würde fassen können.

"Sollte ein Mann nicht informiert werden, wenn er Vater wird?" fragte er stirnrunzelnd, als Christine von ihrer Schwester erzählte. Wie konnte man einem Mann nicht sagen, dass er ein Kind hatte? Das sollte sich jemand bei ihm mal wagen. Der Mann hatte eben den Nachteil, dass er darauf angewiesen war, dass man ihm Bescheid sagte, wenn sein Kind unterwegs war. Eine Frau konnte nicht Mutter werden, ohne es zu merken. Aber gut, so etwas war bei ihm zum Glück kein Thema. Aber traurig für den Vater von Sophias Kind, auch wenn das anscheinend kein so toller Kerl gewesen war.
Ein toller Kerl war er leider auch nicht, zumindest für Ellis nicht. Emrys widerstand, der Gesichtsmaske zuliebe, dem Impuls, das Gesicht zu verziehen. "Sie hat anscheinend vom Wahlkampf nichts mitbekommen... Aber genau das hat den Zauber ausgemacht. Sie mochte mich als Mensch, nicht als Politiker. Als Mann mit Macht. Sie mochte meine Scherze, die Unterhaltungen... Christine, ich kann dir das gar nicht richtig beschreiben. Ich habe so etwas noch nie erlebt - dass die Chemie so krass stimmt, dass man es kaum glauben kann. Dass man sein Glück nicht fassen kann, dass man von all den Menschen auf der Welt genau den EINEN getroffen hat, der so unglaublich gut zu einem passt, dass da keine Lücke mehr zu bleiben scheint. Und dass sie nicht wusste, wer ich bin... Es tat so gut. Wir haben über alles Mögliche gesprochen, über richtig tiefe Sachen, aber den Smalltalk haben wir eben einfach weggelassen." Wenn er daran zurückdachte, zog sich alles in ihm aufs Schmerzhafteste zusammen. Für einen Augenblick konnte er kaum atmen, seine Brust fühlte sich an, als hätte eine Elefantenherde darauf platz genommen. "Wir waren einfach zwei Fremde in einem Pub, die... sich unglaublich gut verstanden haben." Die Information dass er verspannt war, nahm er nur am Rande war; es war ja auch kein Wunder. Wie sollte er sich mit diesen Schmerzen entspannen können? "Es war einfach zu besonders, um es wegzuwerfen", murmelte er leise, mehr zu sich selbst, und war selbst angewidert davon, wie verbittert und armselig er klang. Wenn ihn seine WählerInnen so sehen würden - er könnte direkt aufgeben. Er konnte nur hoffen, dass Christine ihre Meinung nicht änderte und doch den Republikaner wählte, weil sie ihn als kleineres Übel erachtete.

Wasser? Jetzt verzog das Gesicht. Wozu? Er brauchte Alkohol. In Massen. Er streckte die Hand aus, in der Hoffnung dass sie ihm Wasser geben konnte, damit er danach möglichst schnell wieder an den Alkohol kam. Dem Gedanken, dass Ellis zu ihm zurückwollte, sich nur nicht traute auf ihn zuzugehen, gab er sich gar nicht erst hin; zu groß war die Angst, dadurch falsche Hoffnungen in ihm zu wecken. "Sie hat mich gebeten, sie zu vergessen. Aber wie soll ich das machen, wenn ich nichtmal genau weiß, warum..? Sie meinte nur, sie wäre nicht gut für meine Karriere. Sie wäre mein politisches Verderben." Bei Christines Witz zog er die Mundwinkel hoch, aber es sah vermutlich so schrecklich verzerrt aus, wie es sich anfühlte.
"Wie lange muss das jetzt eigentlich drauf bleiben?" fragte er und meinte damit die Maske. Er musste aber auch zugeben, dass die Handmassage durchaus wohltuend war. Könnte er einfach Kopf und Herz ausschalten, dann könnte er das hier, die Massage, die Maske und die Gespräche, viel besser genießen. Aber es war, wie es war, und Emrys musste da irgendwie durch. Er war ein erwachsener Mann, verdammt, und unerwiderte Liebe gehörte zum Leben halt dazu. Sicher würde es bald anfangen, besser zu werden. Ellis würde zu einer Erinnerung verblassen, die höchstens Wehmut in ihm auslöste.
Aus irgendeinem Grund versetzte dieser Gedanke Emrys in Panik, und er suchte rasch nach einem Themenwechsel. "War dein Mann deine große Liebe?" fragte er in dem verzweifelten Bemühen, nicht länger über sich und seine erbärmlichen Gefühle zu sprechen, die er einfach nicht in den Griff bekam. "Oder war die jemand anderes - oder wartest du noch darauf?"
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