27.05.2021, 12:28 - Wörter:
Say you won't let go
, Gast, Gast
am 26.11.2018
am 26.11.2018
Kurz gesagt, es ging Benito an diesem Montag wirklich grauenvoll. Den gesamten Tag war er bloß körperlich im Unterricht anwesend gewesen und hatte sich kaum auf den Stoff konzentrieren können. Er erweckte auch keinen allzu guten Eindruck. Seine Haare waren zerzaust, sein Hemd war zerknittert, die Krawatte der Uniform saß nicht richtig und der Knoten war ohnehin bloß halbherzig gewickelt. Die einzige Nahrung, die er seinem Körper heute zugefügt hatte, war seine Flasche Wasser und ein Snickers, den er sich in der Mittagspause reingezwängt hatte. Irgendwie spielte alles in seinen Gemütszustand mit hinein. Die lange Funkstille zu seinen Großeltern und die Sorge, dass sie nicht mehr enden würde, die Nacht in der er sich unglaublich abgefüllt hatte und der Kater, den er bis heute noch nicht ganz abgeschüttelt hatte, die Erkältung die sich seit gestern bereits ankündigte, weil er Idiot viel zu lange bloß im T-Shirt nachts draußen unterwegs gewesen war und deshalb nun Halsschmerzen hatte, bereits geschwollene Lymphknoten und merkte, wie sich die Nebenhöhlen mehr und mehr zuzogen. Und oben drein kam noch diese unbändige Sehnsucht, weil er es einfach nicht mehr gewohnt war Arian nicht mindestens einmal am Tag zu sehen. Sie haben geschrieben, aber dadurch dass er gestern den gesamten Tag komplett verkatert und fast nur geschlafen hatte, was das auch eher knapp ausgefallen.
Benito erinnerte sich ab dem Moment, in dem Arians Mutter im McDonald’s aufgetaucht war, nur noch verschwommen an das Geschehene. Er besaß überraschend klare Erinnerung an alles davor. Doch mit dem Eintreffen von Señora Alarcón, war es als hätte ein Hammer direkt auf Benitos Kopf geschlagen. Er hatte nicht allzu viele Fragen gestellt, als sie beruhigend auf ihn eingeredet hatte, während er seine Apfeltasche gemampft hatte und sie ihm erklärte, dass sie ihn nun mit nach Hause nehmen würde. Satt, betrunken und unterkühlt war er schlagartig sehr müde geworden und war noch im Auto beinahe eingeschlafen. Das Geschaukel des Wagens hatte ihn schon als Kind immer direkt schläfrig werden lassen. Sie hatte ihm ins Bett geholfen und Benito hatte sich in die warme, weiche Bettwäsche, die herrlich nach Arian duftete, eingerollt und war dort direkt eingenickt. Mit Klamotten. Bloß die Schuhe musste Arians Mutter ihm noch irgendwie ausgezogen haben, denn über die war er beinahe gestolpert, als er am nächsten morgen orientierungslos und mit dröhnendem Kopf aufgeschreckt war.
Nach einem deftigen Frühstück, welches seine Lebensgeister wieder wecken sollte, hatte sie ihn zu Emilio gefahren. Nachdem er sich ungefähr fünftausend Mal entschuldigt und mindestens genauso oft für ihre Hilfe bedankt hatte. Ihm war alles unfassbar peinlich und er bezweifelte, dass sie diese Angelegenheit jemals vergessen würde.
Nun nach der Schule war es endlich so weit, dass er Arian wieder sehen konnte. Benito hatte zum ersten Mal an diesem Tag sichtbare Initiative gezeigt, als es mit dem letzten Läuten der Schulklingel hieß, die Sachen zusammen zu packen. Er war sofort aufgesprungen und hatte seine Bücher und das Tablet in den Rucksack gestopft, die Jacke übergeworfen und den dicken Schal um den Hals gewickelt, den er bereits den ganzen Tag mit sich herumtrug, da ihm seit gestern schon so unfassbar kalt war.
Den Treffpunkt sah er schon aus der Ferne und Benito beeilte sich, da er auf diesen Moment bereits seit letzter Woche hinfieberte und das Wochenende auch nur mit Müh und Not überstanden hatte. Er hatte Arian derart vermisst, dass keine Worte ausreichen würden, um zu beschreiben wie sehr. Sein Herz machte einen Satz, als Arian hinter der Hauswand erschien, ihn packte und mit sich zog. Benito sah zu dem Größeren hoch, drückte den riesigen Schal etwas herunter, um mit dem Kopf wie eine Schildkröte weiter hervorzukommen und schlang die Arme dann um Arians Nacken, als dieser seine Hände an seine Wange legte. Ihre Lippen trafen aufeinander, nach 91 Stunden und 42 Minuten der Trennung. Ja Benito hatte tatsächlich die Stunden gezählt. Seine Augen brannten, als er die Lider schloss und Arian sehnsüchtig küsste. Das hier … dieses Wochenende war einfach beschissen gewesen und er hatte sich so unmenschlich hier nach gesehnt. Es war ihm unangenehm, wie emotional er plötzlich wurde, aber er hatte das hier gebraucht. So sehr.
Das sanfte Streicheln der warmen Daumen auf seinen erhitzten Wangen war beruhigend und es fühlte sich himmlisch an. Als Arian sich kurz löste und ihn dann wieder küsste, behielt Benito die Augen geschlossen, damit er den Schimmer darin nicht erkennen konnte. Es brannte noch immer und Benito ließ den Kopf gesenkt, als Arian sich zum Gehen wandte. Ihm blieben die Worte im Hals stecken. Er hatte ihn auch vermisst. Viel zu sehr. Und er war so erleichtert, dass er wieder zurück war. Nur knapp nickte Benito, während er Arians Blick auswich und sie dann schnell zum Auto eilten.
Als Arian einstieg nutzte Benito den kurzen Moment seiner Unaufmerksamkeit, um mit den Fingern über seine Lider zu streichen und damit hoffentlich das Brennen und die sich anbahnenden Tränen zu vertreiben. Er atmete tief durch, stieß die Luft aus und stieg dann zu ihm ins Auto, wo er seine Finger sofort mit Arians verschränkte und den Händedruck erwiderte. Seinen Rucksack beförderte er zwischen seine Beine.