Distract me from my thoughts
, Gast, Gast
am
23.11.2018
Das Lob nahm Benito gern entgegen. Heute. Jetzt. Ansonsten wurde er schnell verlegen und war doch eher bescheiden, wenn es darum ging, dass er mit seinem Verstand glänzen konnte. Nun da er allgemein benebelt war, war es sehr viel leichter Lob anzunehmen.
„Danke danke!“, sagte er zufrieden und grinste noch ein wenig breiter. Suchend schweifte nur sein Blick kurz darauf umher.
„Hier is‘ es nirgen’s warm.“ Krank wurde Benito aber unter diesen Umständen wahrscheinlich wirklich sehr schnell. Er hatte kein allzu gutes Immunsystem und so lange in dieser nächtlichen Novemberkälte herumzulaufen war da alles andere als hilfreich.
„Hab‘ dich auch lieb“, nuschelte er und merkte sofort dieses heftige Kribbeln in Brust und Magen, welches nun noch um ein Vielfaches verstärkt zu sein schien. Dem Alkohol sei Dank. Alles fühlte sich dadurch einerseits intensiver an, während es gleichzeitig genau die Störfaktoren abmildern konnte. Wunderbares Zeug. Wäre er eher auf diese Erkenntnis gekommen hätte Benito bei Problemen vielleicht schon eher zur Flasche gegriffen.
„Ich werd‘ so viele Burger essen, bis‘ du platzt!“, lachte er und zwinkerte in die Kamera. Es gelang nur nicht besonders akkurat. Benito blinzelte eher etwas krampfhaft.
„Ja bitte! Komm her. Ich vermiss‘ dich.“ Dass mindestens fünf Stunden Autofahrt zwischen ihm und Arian lagen und es dadurch praktisch unmöglich war in einer auch nur annähernd nahen Stunde hier aufzutauchen, daran dachte Benito gerade nicht. Er dachte nur daran, wie gewaltig er sich freuen würde, würde Arian zur Tür hereinkommen, während er gerade herzhaft in seinen BigMac biss. Arian und BigMacs. Beste Kombi.
Verliebt sah Benito ihn an. Er war sein Engel. Er hob gleich wirklich noch wie ein Engel vom Boden ab, wenn Arian weiterhin so süße Sachen sagte. Das war schon gemein. Der Ältere war so unsagbar süß und herzlich und er war gerade einfach nicht hier, obwohl Benito ihn unbedingt umarmen wollte. Mehr brauchte er nicht. Einfach nur seine Arme um Arians Mitte, damit er nicht noch einmal so weit weg ging.
Und dann kullerten schon die Tränen über seine Wangen. Eben hatte er noch erheitert und munter gewirkt, nun sah Benito totunglücklich und traurig aus. Er fühlte sich als hätte er sein zu Hause verloren. Zum zweiten Mal. Seine Großmutter hatte nicht einmal etwas Abwertendes oder Bösartiges gesagt, sie hatte ihn nur geschockt angesehen. Und dann nicht mehr mit ihm gesprochen. Benito wusste nicht, was sie dachte, was sie davon hielt und wie sie weiter damit – mit ihm – umgehen wollte. Er war verloren und Benito fühlte sich allein. Schrecklich allein. Egal wie sein Großvater oder Claudia und Andrea dazu standen.
„Ari …“, kam es mit dünner Stimme von ihm.
„Ich hab‘ Angst.“ Es war das erste Mal, dass er seit diesem schrecklichen Moment weinte. Bevor er angefangen hatte sich mit Emilio zu besaufen, war er eher apathisch gewesen und hatte sich gefragt, wie lange es dauern würde, ehe sich seine Großmutter bei ihm meldete. Nun befürchtete er, sie würde sich gar nicht mehr melden und wäre froh, dass er weg waar.
Benito kam auf der anderen Straßenseite an und setzte sich dort einfach auf die Bordsteinkante. Das Handy ließ er sinken, so dass es nicht mehr sein Gesicht zeigte, sondern seine Schuhspitzen. Seine freie Hand legte sich auf sein Gesicht, während er leise schluchzte. Das hier hatte ein lustiger Abend werden sollen. Er hatte sich ablenken wollen, einfach nicht mehr daran denken, aber gerade fühlte er sich schrecklicher als zuvor. So viel dazu, dass die Störfaktoren abgemildert wurden.
„Was has‘ du für unser Wochen’ndtrip geplant?“, fragte er ihn nach einer Weile. Zitternd saß er auf dem Bordstein und hob nur langsam das Handy wieder an. Seine andere Hand war schon nass, aber er versuchte trotzdem damit sein Gesicht zu trocknen.