22.11.2020, 01:56 - Wörter:
Have yourself a merry little proposal, uhm, I mean Christmas!
, Gast, Gast
am 24.12.2018
am 24.12.2018
Zugegeben, sie hatte die Zweideutigkeit in ihrer Wortwahl durchaus beabsichtigt, und sie grinste verschmitzt, da ihr keineswegs entging, wo seine Hände unmittelbar vor ihrem Deut hinwollten. Allein der Gedanke ließ einen kleinen, heißen Schauer durch ihren Körper fahren und ein Teil von ihr wollte ihn lieber weitermachen lassen, auf dass er das eigentliche Geschenk später selbst entdeckte, doch die Neugier in ihr war dann doch zu groß – und möglicherweise, das hoffte sie zumindest ein bisschen, auch wenn es ihr natürlich nicht nur darum ging, würde er seine Begeisterung und Dankbarkeit über das Geschenk ja noch ausdrücken, indem er nach dem Auspacken über sie herfiel.
Sein Blick folgte ihrem Deut, der ihre hing jedoch weiterhin gespannt auf seinem Gesicht und sie grinste noch breiter, als er das Paket bemerkte und sich eine Mischung aus Unsicherheit und Perplexität auf seine so vertrauten und wunderschönen Züge schlich. Ein leises Lachen holperte der Blonden über die Lippen, als er beinahe entschuldigend zugab, nichts für sie zu haben, und mit einem Kopfschütteln und einem leichten Schulterzucken versicherte sie ihm nonverbal, dass das überhaupt nicht schlimm war; sie hatten es schließlich so abgemacht. Sie erwartete nichts von ihm, er tat ohnehin schon viel für sie und ihre Familie, und die immergleichen, teuren Standardgeschenke, die ihre Angestellten und Freundinnen von ihren jeweiligen Partnern so bekamen, beeindruckten sie nicht, da sie nicht besonders viel mit Schmuck oder dem neuesten Elektrogeräten anfangen könnte, weshalb sie auch nicht neidisch wurde, weil andere mit Geschenken dieser Art überhäuft wurden. Natürlich war sie nicht indifferent für die Freude, die man verspürte, wenn an einen gedacht wurde und man etwas überreicht bekam, das man sich tatsächlich gewünscht hatte, aber sie konnte nicht einmal behaupten, sich derzeit irgendetwas zu wünschen. Sie war wunschlos glücklich… und der Grund dafür ergriff ihre Hand, um sich mit ihr vor dem Weihnachtsbaum niederzulassen und vor ihren Augen das so mühsam erkämpfte Geschenk zu öffnen.
Skylar erinnerte sich noch sehr gut an diesen einen Abend im Sommer, während der Zeit, die sie in Las Vegas bei seiner Mom verbracht hatten. Nach einem sehr ereignisreichen Tag mit Besuchen der berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt hatte Caleb tief und fest geschlafen, vermutlich von der Aussicht vom High Roller Ferris Wheel geträumt und daher überhaupt nicht mitbekommen, was in Daniels ehemaligen Jugendzimmer, in welchem sie zu dritt geschlafen hatten, sonst noch getrieben wurde, kaum dass seine Mom und ihr Freund ebenfalls den Raum betreten hatten. Nach einem Jahr Beziehung hatten sie den Dreh aber auch wirklich raus, wenn es darum ging, solche Zeitfenster für ihr gemeinsames Vergnügen zu nutzen, ohne zu viel Lärm zu machen, zumal die Greene keinen schlechten Eindruck bei Sheila hatte machen wollen, indem sie von ihrem Stöhnen geweckt wurde, und sich deshalb noch einmal besonders beherrscht hatte. Mit schweißklebriger Stirn und einem seligen Lächeln hatte Sky danach auf der Seite in Daniels Arm gelegen und die im schwachen Licht der Nachttischlampe erkennbare Einrichtung des Zimmers betrachtet, die so viel über dessen damaligen Bewohner preisgab, dass die Blonde allein durch ihre Beobachtungen schon das Gefühl bekam, so viel mehr über den Mann an ihrer Seite zu erfahren.
Aus ihrer Position heraus war ihr schließlich ein Gegenstand ins Auge gestochen, der verborgen unter dem Schatten des Schreibtisches lag und dennoch gerade so von ihr entdeckt wurde. Ein Nintendo Entertainment System – die erste Spielkonsole im Hause Mercer, von der Daniel irgendwann mal erwähnt hatte, mit seinem Bruder Stunden vor ihr verbracht zu haben. Ihre Frage, ob er ihr sein Lieblingsspiel nicht noch schnell vor dem Schlafen zeigen wollte, gab es jedoch die ernüchternde Antwort, dass das Gerät seit langem irreparabel beschädigt sei. Eine Information, die Skylars sture Entschlossenheit geweckt hatte, denn ihrer Erfahrung nach konnte alles irgendwie repariert werden – man musste nur jemanden haben, der es verbissen genug versuchte.
Das Ding war also unauffällig in ihrer Reisetasche gelandet und mit nach New York gekommen und mit dem Ziel, es bis zum Geburtstag des Mercers reparieren zu lassen, hatte sie recherchiert, herumtelefoniert und hin und wieder ihre Zeit geopfert, um allen Hobby-Bastlern, die sie hatte finden können, mit dem alten NES einen Besuch abzustatten. Nach dem fünften Versuch und somit der fünften Aussage, das Gerät sei nicht mehr zu retten, hatte sie es aufgegeben.
Und dann war Earl gestorben.
An sich war das einfach nur tragisch. Doch wo Haushalte aufgelöst wurden, fanden viele Dinge, die oftmals als vergessen galten, einen neuen Besitzer, und als Earls Tochter Peggy den gesamten Schrott ihres ungeliebten Vaters im Rahmen eines Garagenflohmarkts für kleines Geld loszuwerden versuchte, fand Skylar doch tatsächlich diese uralte Konsole wieder. Sie hatte Peggy gehört und war ein Geschenk von Earl gewesen; eines, das nur wieder bewiesen hatte, wie wenig er über sie gewusst hatte, so hatte sie sich doch nie für solche Dinge interessieren können. Und doch schien Earl sie benutzt zu haben, denn sie war nicht mehr wie neu, die Originalverpackung fehlte und als Sky das für 30 Dollar (inklusive einiger Spiele) erstandene Ding in einem unbeobachteten Moment zu testen versucht hatte, war es nicht angesprungen. Die Greene hätte es am liebsten aus dem Fenster geschmissen, aber nein, sie hatte stattdessen alle Adressen ein weiteres Mal abgeklappert. ‚Sorry, Miss, ich habe alles versucht‘ – so oder so ähnlich hatte man sie ein weiteres Mal vertröstet. Einige von ihnen glaubten sogar, sie wäre zum zweiten Mal mit derselben Konsole bei ihnen aufgetaucht und hätte gedacht, sie würden es nicht merken, und so hatte Sky es ein weiteres Mal aufgegeben. Bis ihr beim Telefonat mit Imogen schließlich der Geistesblitz kam – ihre Schwester studierte doch irgendwas mit Computern, kannten sich die Nerds dort nicht generell mit sowas aus? Imogen hatte ihre Kontakte aktiviert und tatsächlich einige Personen gefunden, die sich die Konsolen ansehen würden, und so hatte Imogen ihre freien Tage genutzt, um die vier Stunden aus Ithaca nach Queens zu fahren, vor Daniel so zu tun als sei dies nur wegen seines Geburtstages, und am nächsten Tag mit den beiden Nintendo Konsolen im Gepäck wieder zum Cornell Campus zurückzukehren. Tatsächlich war es einem der Technik-Genies gelungen, beide Konsolen wieder in Gang zu kriegen, und seine Bemühungen vergütete die Greene damit, dass er diejenige, die sie aus Earls Hinterlassenschaften gekauft hatte, behalten durfte. Eine Bezahlung, über die man sich in solchen Kreisen wirklich zu freuen schien. Und nach einem Besuch in Ithaca, um das NES wieder abzuholen, sowie einem einstündigen Test der Konsole verstand die Blonde sogar, wieso dem so war. Sie war zwar weder in Super Mario Bros. noch in Bubble Bobble besonders gut, aber das hatte sie auch gar nicht sein müssen, um beim Multiplayer-Spiel mit Imogen und Kevin (so hieß ihr Retter in der Not) die Zeit zu vergessen. Noch am selben Tag war sie zurückgekehrt, insgesamt elf Stunden war sie weggewesen, und so hatte bis auf den Kilometerstand ihres Autos nichts darauf hingewiesen, dass sie nicht bei der Arbeit gewesen, sondern Daniels Geschenk abgeholt hatte. Dreieinhalb Wochen zu spät für seinen Geburtstag, aber sie hatte in dem nahenden Weihnachtsfest ihre zweite Chance gesehen – und diese nun auch ergriffen. Die letzte Herausforderung hatte darin bestanden, einen passenden Karton zu finden, in welchem sie die Konsole, alle nötigen Kabel, die zwei Controller und die insgesamt neun Spiele verstauen konnte, doch auch diese hatte sie gemeistert und alles zusammen in weihnachtliches Geschenkpapier gewickelt.
Geschenkpapier, das Daniel mit einer Geduld und Sorgfalt öffnete, die Skylar einfach nur beeindruckend fand. Sie hätte es vor lauter Neugier wohl einfach nur aufgerissen, der Mercer bewies auf diese Art jedoch nur ein weiteres Mal, dass er sie perfekt ergänzte. Gespannt betrachtete sie sein Gesicht, verliebte sich ganz nebenbei ein weiteres Mal in dieses funkelnde Augenpaar, während er den Karton öffnete. Und dieses Mal traf es sie heftiger als je zuvor, denn während ihr im Schnelldurchlauf all die Strapazen für dieses eine Geschenk durch den Kopf gingen, wurde ihr bewusst, dass sie noch nie so viel ihrer Zeit für etwas… eigentlich so banales geopfert hatte. Eine Videospielkonsole aus den 80ern. Hätten sich ihre Brüder so etwas vor einigen Jahren gewünscht, hätte sie ihnen wohl den Vogel gezeigt oder sie mit einem schlagfertigen Spruch darauf hingewiesen, dass sie sich solche Wünsche schon selbst erfüllen müssten. Bei Daniel war es jedoch etwas anderes; er hatte schon so vieles im Haus der Greenes repariert, da wollte sie ihm einfach etwas zurückgeben, indem sie etwas Kaputtes aus seinem Leben in Ordnung brachte. Zumal ihr dieser ganz besondere Ausdruck, wann immer er von Mackenzie gesprochen hatte, nicht entgangen war. Gut möglich, dass Sky mit ihrem Geschenk unwissentlich eine eigentlich verheilte Wunde aufriss, aber primär lag ihr Ziel darin, etwas aus Daniels glücklichsten, unbeschwerten Lebensjahren in dieses Haus voller Kindheitserinnerungen der Greenes zu holen und es auf diese Weise ein Stückchen mehr zu seinem Zuhause zu machen. Vielleicht würde er Caleb ja bald schon in die Welt der Retro-Videospiele einweihen… Skylar kam es jedenfalls absolut nicht unwahrscheinlich vor, dass ihre beiden Lieblingsmänner eines Tages zusammen auf der Couch sitzen und irgendwelche Spielfiguren über den Bildschirm steuern würden. Sie waren ja schon jetzt wie Vater und Sohn... und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, war Daniel genau die Art von Vater, die sie ihrem Sohn von Anfang an gewünscht hätte. Und die sie ihren zukünftigen Kindern, sollten da noch welche kommen, wünschen würde. Der bloße Gedanke daran trieb ihr eine leichte Röte auf die Wangen und als fürchtete sie, der Mercer könnte ihre Gedanken lesen, ließ sie ihren Blick auf das freigelegte Geschenk tropfen.
„Ich habe jemanden gefunden, der sie reparieren konnte, und noch ein paar Spiele dazu bekommen“, erläuterte sie schnell, bevor er etwas dazu sagen konnte, worauf sie sich das Haar bemüht lässig über die Schulter warf und mit verdrehten Augen abwinkte. „War ein Kinderspiel.“ War es natürlich nicht und sie war schlecht darin, dies glaubwürdig rüberzubringen – an ihrer Fähigkeit, zu lügen, hatte sich seit ihrem Versuch, ihm Nageldesign als ihr Hobby zu verkaufen, nicht viel geändert – aber sie wollte nicht, dass ihr Freund ein schlechtes Gewissen bekam, weil er mit leeren Händen dastand. Sie hatte ihm einfach nur eine Freude machen wollen und brauchte keine Gegenleistung. Eine solche bekam sie ohnehin jeden Tag, denn kein Geschenk war größer als das seiner bedingungslosen Liebe.
Sky lag neben dem Weihnachtsbaum auf ihrem Bauch, hatte den Kopf auf ihre Hände gestützt und ließ ihre Unterschenkel langsam in der Luft hin und her baumeln, während ihre grünbraunen Iriden bewundernd an seinem Profil klebten und sie Daniels Gedanken aus seiner Mimik herauszulesen versuchte.
„Wie wär’s, wenn du mir jetzt dein Lieblingsspiel zeigst? Und der Gewinner darf sich etwas wünschen?“, schmunzelte sie mit einem herausfordernden Funkeln in ihren Augen. „Aber ich muss dich warnen – ich hab ein bisschen geübt.“ Ja ja, sie hatte es bis zum ersten Untergrundlevel im Mario-Spiel geschafft. Aber das war keine große Leistung, wenn man bedachte, dass es sich dabei um das zweite von insgesamt 32 Levels handelte…