memories of the very first day of our forever
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#9


memories of the very first day of our forever
,   Emrys Westbrook,   Ellison King
am 15.06.2020


Das würde er ja wirklich gerne sehen. Mit dem Mikro in der Hand wäre ihr die Aufmerksamkeit des ganzen Pubs sicher, daran zweifelte Emrys nicht; wie könnte es anders sein? Jedoch bezweifelte er, dass es wirklich dazu kommen würde. Der Typ hinter der Bar schien, was etwaiges Pub-Entertainment anging, das Sagen zu haben - und nicht sonderlich erpicht auf gesangstechnische Einlagen. Dabei konnten die doch den Umsatz steigern? Doch Emrys konnte auch verstehen, wenn die potentiellen Einnahmen das Gejaule, das manche Menschen mit Sicherheit von sich geben würden, nicht aufwogen. Der Politiker hatte angenommen, das Pubs und Karaoke zusammengehörten wie Seife und schwedische Gardinen, aber da konnte er sich irren. Es war ja nicht gerade so, als würde er wie Bobby jeden Abend in so einem Etablissement verbringen. Pubbesuche waren eher die Ausnahme für den vielbeschäftigten Millionär.
"Absolut", stand er der fremden Lady ein weiteres Mal zur Seite, als sie als Argument anführte, dass Kultur bessere Kundschaft anlocken würde, und grinste den Barkeeper an. "Da, wo ich herkomme, gibt es noch mehr von uns." Natürlich protestierte der Gewohnheitstrinker weiter unten am Tresen, aber das war ja nun auch nichts Neues mehr. Nichts aus dem Leben machen und dann laufend protestieren, wenn man ihm die Konsequenzen seiner Antriebslosigkeit vor Augen führte. Sowas hatte er ja gerne.

Emrys erwiderte ihr Grinsen. "Nein, absolut nicht. Es sei denn, man ist mikronesischer Einwohner - dann sollte einem der Name schon etwas sagen." Natürlich konnte er nicht nur die Landeshauptstadt herausposaunen, sondern auch mit der geografischen Verortung. Er ließ es allerdings bleiben; mit Sicherheit war sie nicht scharf darauf, sich von ihm belehren zu lassen. "Das könnte auch ein origineller Name für ein Pub sein", stimmte er ihr stattdessen zu. "Oder zumindest eine Art Unteritel." Es gab immerhin genug Menschen, die kein fancy Restaurant suchten, wenn sie draußen herumstreunten, sondern einfach ein normales Pub. Heutzutage gab es im Gastronimiebereich teilweise so abgehobene, schräge Ideen, dass Normalität manchmal schwer zu finden war. Gut, es kam auch immer darauf an, wie man Normalität definierte. Emrys in seinem Fall orientierte sich, was Pubs anging, an der Normalität der breiten Masse. Wenn er richtig gut zu Abend essen wollte, hatte er dagegen ganz andere Ansprüche; dann mussten es schon mindestens zwei Sterne und fünf Gänge sein. Vermutlich ar es nur eine Frage der Zeit, bis irgendwo ein Pub aus dem Boden schoss, das genau dies umzusetzen und mit dem typischen Flair eines abgeranzten Pubs zu vereinen. Seltsame Vorstellung.

Für ihn war es auf jeden Fall als positiv zu verbuchen, in ausgerechnet dieses Pub eingekehrt und ihr begegnet zu sein. Dass sie das genauso sah, entlockte ihm ein leises Lachen. An Selbstbewusstsein schien es ihr nicht zu mangeln, das gefiel ihm. Außerdem emfpand er es als positiv, dass sie von seinem Anzug, den sie offensichtlich als teuer erkannt hatte, nicht sonderlich beeindruckt war. Viele Frauen verfielen sofort in ein anbiederndes Jagdfieber, wenn sie das Geld an ihm rochen. Die Blondine neben ihm jedoch blieb völlig gelassen. "Wenn das mal nicht mein Glückstag heute ist", schmunzelte er daher. Doch noch ehe sie weiterreden konnten, klingelte bedauerlicherweise ihr Telefon. Emrys sah ihr zu, wie sie es hervorzog und dranging. Honey? Wer mochte das wohl sein? Hoffentlich kein Liebhaber. Emrys wollte nicht lauschen, aber er spitze schon ein wenig die Ohren, um die Stimme einordnen zu können, die durchs Telefon an das Ohr der fremden Schönheit drang. Nein, die Stimme erschien ihm weiblich, und erstaunt stellte er fest, dass ihn das regelrecht erleichterte. Er wollte sie wiedersehen, wurde ihm klar. Sollte er sie nach ihrer Nummer fragen? Doch bevor er dazu kam, glitt sie von ihrem Hocker herunter. Kurz wallte Bedauern in ihm auf, doch als sie ihm dann gleich zweifach klarmachte, dass er wiederkommen sollte, grinste er sie an. "Ich muss ja auf jeden Fall noch die Pommes hier probieren, die wurden mir warm empfohlen", erwiderte er - und dann war sie schon weg.
Bemerkenswert. Das traf ziemlich gut auf sie zu.

Einen Moment lang starrte er ihr hinterher, und als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, fragte er sich kurz, ob sie wirklich hier gewesen war. Oder war er einer Fata Morgana aufgesessen? Als er sich schließlich wieder seinem Bier zuwandte, fing er den wissenden Blick des Barkeepers auf. "Es gibt keine regelmäßigen Tage, an denen sie hier ist" informierte er Emrys und trocknete wieder Gläser ab, die er anscheinend gerade frisch gespült hatte, während Emrys der blonden Erscheinung hinterhergeblickt hatte. "Aber zwei, drei Mal im Monat ist sie locker hier."
"Bist du etwa an ihr interessiert?" polterte Bobby. "Hör mal, an der Perle bin ich dran. Ich hab sie schon ein paar Mal zu mir nach Hause eingeladen, bald ist es soweit."
Emrys unterdrückte ein Grinsen und nickte stattdessen verstehend. Er hatte starke Zweifel daran, dass Bobby mit seinem Vorhaben Erfolg haben würde. "Solange du sie nicht angeleckt hast, ist da noch nichts in trockenen Tüchern", machte er dem Trinker eine Ansage, dann zog er ein Bündel Geldscheine aus dem Jackett und ließ es auf die Theke fallen. "Dann bis bald", sagte er zum Barkeeper und erhob sich. Im Hinausgehen meinte er noch, Bobby etwas grummeln zu hören wie "Hat der gerade gesagt, dass er sich an meine Perle ranmachen will? Blödes Arschloch.", dann schlug die schwere Eingangstür hinter Emrys zu, und jegliche Laute aus dem Inneren des Pubs prallten daran ab, unfähig, den Raum zu verlassen, so wie der New Yorker es gerade getan hatte.
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RE: memories of the very first day of our forever - von Emrys Westbrook - 02.09.2024, 11:13

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