this is gonna be a good night
Zitieren Nach oben
#1


this is gonna be a good night
,   Gast,   Gast
am 13.08.2013


Eine viel zu knapp bekleidete Frau schwebte an ihm vorbei und Liam grinste in sich hinein. Seine Ehefrau war nicht von der tobenden, eifersüchtigen Sorte. Dennoch traute er sich nicht, in ihrer Anwesenheit offen über das ganze Gesicht zu grinsen, weil er sich vorkam wie bei einer dieser fancy Victoria's Secret Shows. Denn nackte Haut gab es hier überall zu sehen. Was wohl auch Olivia auffiel, die leise neben ihm "Meinst du jemand außer mir hat auch noch ein bisschen zu viel an?" zischte. Er nickte. Auf dieser Art von Veranstaltung gab es zwei Dress Codes. Einen für die Gold Digger, die sich nur unter die Menge mischten, um einen reichen Erben oder Technologiemagnaten an Land zu ziehen und dementsprechend nur sehr offenherzige Kleidchen mit schwindelerregenden Absätzen trugen, und einen für die Frauen, die entweder schon reich geboren, reich verheiratet oder an Reichtum schlicht und einfach nicht interessiert waren. Auf jeden Fall gab es auch von der zweiten Sorte genug auf der Geburtstagsfeier eines seiner ehemaligen Klassenkameraden. Olivia würde also nicht die einzige mit einem Coctailkleid, das nicht einmal die Hälfte ihres Oberschenkels unbedeckt ließ, sein. "Du siehst toll aus.", wiederholte er die Worte, die er bereits vor einer Stunde in ihrem Apartment zu ihr gesagt hatte, damit sie sich endlich auf den Weg machen konnten. Und er meinte es so.
Sobald die beiden eine kleine Gruppe von Gästen, die sie kannten, erreicht hatten, hatte Liam kein schlechtes Gewissen, Olivia allein zu lassen, um ein paar Drinks an der Bar zu holen. Er bestellte zwei Mojitos. Während der Barmann sich daran machte, die Getränke zu mixen, nahm Liam die Menge unter die Lupe. New York war schon seltsam. Eine riesige Stadt und doch kannte man fast jeden, der in denselben Kreisen verkehrte. Manchmal scherzte er mit seinem Bruder, dass hier Inzest, wie in den ehemaligen europäischen Königshäusern, nicht zu umgehen war, wenn man in seinen Kreisen blieb. Mit irgendwem war man auf so einer Party immer verwandt der verschwägert. Oder man hatte dieselbe Schule besucht oder gemeinsam die Hamptons besucht. Irgendwelche Verbindungen gab es immer. Deshalb war es also eine regelrechte Sensation, wenn man mal ein neues Gesicht sah. Genauso wie ein zurückgekehrtes Gesicht, von dem man angenommen hatte, es nicht so bald wieder zu sehen. Liam drehte sich zum Kellner. "Ich nehme noch einen dritten."

Bis er sich zu der Frau durchgekämpft hatte, die seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, brach ihm beinahe der Schweiß aus, weil er die drei Gläser zu balancieren versuchte, ohne auch nur einen Tropfen Alkohol zu verschütten. "Maeve Bishop! Ich habe meinen Augen erstmal nicht getraut. Du kommst zurück aus der Versenkung und meldest dich nicht? Kein Anruf, keine Brieftaube? Soll ich das persönlich nehmen?" Ohne Umschweife reichte er ihr eins der Gläser und machte mit seinem breiten Lächeln klar, dass seine Worte keinesfalls einen wirklichen Vorwurf darstellten. Er freute sich wirklich seine Freundin nach so vielen Jahren wieder zu sehen. Und nun ja, wenn man ganz ehrlich war, hatten sie beide dazu beigetragen, dass der Kontakt zwischen ihnen nicht mehr so rege war, wie in ihrer Kindheit und Jugend. Man lebte einfach weit weg voneinander und so waren die Telefonate seltener geworden und die Kommentare bei Facebook ersetzten beinahe vollkommen die vorherige Kommunikation. Selbst jetzt wusste Liam nicht einmal, ob es sich hier nur um einen kurzen Ausflug nach NY handelte und Maeve nur einen Höflichkeitsbesuch bei der Geburtstagsfeier seines Freundes mit eingeplant hatte. Aber er freute sich schon darauf, das herauszufinden.
In PDF umwandeln Zitieren Nach oben


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste